Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Lüsterne Blicke auf irdische Freuden
Nur Insider können mit dem Namen Carl Kronberger etwas anfangen. Einer von ihnen ist Hannes Etzlstorfer, der den 1841 in Freistadt geborenen und 1921 in München verstorbenen Maler, einen spätgeborenen Romantiker und liebevollen Schrullenchronisten, der Vergessenheit entreißen wollte. Was aus der Idee schließlich geworden ist, ist bis 26. September im Linzer Schloßmuseum zu sehen.
Nur Insider können mit dem Namen Carl Kronberger etwas anfangen. Einer von ihnen ist Hannes Etzlstorfer, der den 1841 in Freistadt geborenen und 1921 in München verstorbenen Maler, einen spätgeborenen Romantiker und liebevollen Schrullenchronisten, der Vergessenheit entreißen wollte. Was aus der Idee schließlich geworden ist, ist bis 26. September im Linzer Schloßmuseum zu sehen.
Seit es in Oberösterreich Landesausstellungen nur mehr im Zweijah-res-Rhythmus gibt, setzt man ob der Erms seinen Ehrgeiz drein, wenigstens für vollwertigen Ersatz zu sorgen. Heuer gibt es deren zwei: „Granit, Stein für die Ewigkeit” im Stift Schlägl (FURCHE 30/1993) und „Lebenswelten - Alltagsbilder” im Linzer Schloß.
Der „Spitzwegerich” aus Freistadt, um den es ursprünglich ging, ist jetzt nur noch ein Steinchen in einem Mosaik, das - vom späten Mittelalter bis an den Rand der Gegenwart - die kleinen, unscheinbaren Dinge, die zumeist im Schatten spektakulärer Ereignisse stehen, ins Licht holt. Rund 250 „Alltagsbilder” geben einen aufschlußreichen kulturgeschichtlichen Einblick in die Lebenswelten der Menschen eines halben Jahrtausends im Spiegel der Kunst ihrer Zeit.
Bis gegen' Ende des Mittelalters malten und schnitzten die Künstler einzig zur höheren Ehre Gottes. Was später in die Mitte trat, das Leben jetzt und hier, so und nicht anders, war Nebensache.
Natürlich spielten sich auch die heiligen Geschichten in bestimmten Landschaften und Räumen ab, aber es bedarf schon einiger Phantasie, diese Landschaften zu identifizieren. Wie man sich auch sehpwohl ein Bild von Gott machte, aber nicht vom Nächsten wie von sich selbst. Nur: Wenn man von den Gestalten der biblischen Szenen den Heiligenschein nimmt, findet man sich wieder in den Gemachem der Edelleute, in den guten Stuben der Bürger.
Arme werden Bettler
Das gemeine Volk hingegen stand in der Kunst noch lange im Abseits. Nur die Armen waren wichtig, denen man Almosen reichte, an denen man die Werke der Barmherzigkeit üben konnte.
In der Ästhetik des Manierismus wurde aus dem „Armen” der „Bettler”, eine zerlumpte Erscheinung, die umso pittoresker war, je erbärmlicher sie aussah. Die Bauern, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung dem heutigen verkehrt proportional war, kamen allenfalls als skurrile Dorftrottel ins Bild.
Auch in dieser säkularisierten Zeit wurde der moralische Zeiger oft und gern erhoben. Dabei stellt man in den Abschnitten „Irdische Freuden” und „Sitten und Unsitten” an zahlreichen Beispielen fest, mit welcher Wollust imter dem Mäntelchen eben dieser Moral Völlerei und Unzucht als „Todsünden”, konterfeit wurden, ähnlich wie man Jahrhunderte später
Sexfilme zunächst mit der Miene des Biedermanns als Aufklärungsfilme auf den Markt warf.
Da sieht man in Valckenborchs Bild von den zechenden Bauern einen lüsternen Mann an einer Maid herumknutschen und ein keifendes Weib ihren Alten aus der Runde der Saufkumpane reißen.
Gleich mehrmals treten im Gefolge Cranachs geile Greise auf und grapschen nach den Brüsten frischer Frauen, die wiederum im Gegenzug nach ihrem Galan greifen.
Alltag der Arbeit
Sittsamer geht es im Abschnitt „Alltag der Arbeit” zu, wo nun allmählich auch der Bauer ernst genommen wird. Die Lebenswelt von Biedermeier und Gründerzeit wird ausschließlich an Beispielen aus Ober-Österreich demonstriert. Es gab ja auch genügend gute Leute hier, bekannt oder halb oder ganz vergessen wie jener Carl Kronberger, von dem eingangs die Rede war: Johann Baptist Reiter, Alois Greil, Johann Baptist Wengler und Martin Kestler. In der Ausstellung ist sogar eine echte Gartenlaube aufgebaut. Das Blatt dieses Namens ist j a sehr zu Unrecht in Verruf gekommen: Unter den Autoren finden sich auch sehr achtbare Poeten.
Ein Streifzug durch das 20. Jahrhundert führt die ganze Spannweite zwischen traditioneller und progressiver Kunst auch hierzulande vor Augem.
Das Leben im Alltag, wie es uns in Werken der Kunst sichtbar wird, ist anhand von Beispielen aus der Volkskunst dargestellt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!