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Marx macht wieder Kapital

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In den ehemaligen sozialistischen Wirtschaftssystemen wies die Ideologie dem Geld eine eingeschränkte, „passive” Rolle zu. Güter und Vorprodukte wurden nicht im herkömmlichen Sinne gekauft beziehungsweise verkauft, sondern über den „Plan” direkt zugewiesen. Für den „Fetisch Geld”, der wie Marx betonte, die sozialen Beziehungen zwischen den Klassen „wie ein Schleier verdeckt”, beruhten selbst diese eingeschränkten Funktionen auf einem Kompromiß. Im Zuge der gegenwärtigen Reformen ändert sich die Rolle des Geldes. Ob diese Länder eine straffe Finanzdisziplin durchhalten können, ist die große Frage.

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In den ehemaligen sozialistischen Wirtschaftssystemen wies die Ideologie dem Geld eine eingeschränkte, „passive” Rolle zu. Güter und Vorprodukte wurden nicht im herkömmlichen Sinne gekauft beziehungsweise verkauft, sondern über den „Plan” direkt zugewiesen. Für den „Fetisch Geld”, der wie Marx betonte, die sozialen Beziehungen zwischen den Klassen „wie ein Schleier verdeckt”, beruhten selbst diese eingeschränkten Funktionen auf einem Kompromiß. Im Zuge der gegenwärtigen Reformen ändert sich die Rolle des Geldes. Ob diese Länder eine straffe Finanzdisziplin durchhalten können, ist die große Frage.

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Daß Geld als Ware angesehen wird, und es zu den wesentlichsten Tätigkeiten einer Bank zählt, Geld billiger zu kaufen als zu verkaufen, ist in einer Marktwirtschaft selbstverständlich. Doch gerade diese „Warenfunktion” des Geldes, suchte man in den ehemaligen Planwirtschaften nach Möglichkeit auszuschalten, und die Allokation des Geldes - etwa für Investitionszwecke - erfolgte ausschließlich über den monetären Plan; weder Geld-, noch Kapitalmarkt waren vorgesehen.

Die eingeschränkte Bedeutung des Geldes fand in einer einfachen, man kann ruhig sagen, in einer primitiven Bankenstruktur ihren Niederschlag. In allen ehemaligen planwirtschaftlichen Ländern begründete man ein „einstufiges” Bankensystem: Neben einer „Staatsbank”, die als Notenbank für die Geldpolitik und gleichzeitig als Kommerzbank für nahezu sämtliche Geldgeschäfte zuständig war, kannte man lediglich eine „Außenhandelsbank” für Devisentransaktionen sowie eine Sparkasse für den kleinen Mann.

Ebenso wie das institutionelle Bankensystem verkümmerten auch die Instrumente der Fiskal- und Geldpolitik oder bekamen einen völlig neuen Inhalt. Als Beispiel sei hier der Kredit angeführt, der, falls er (zinsenlos) zugeteilt wurde, zwar als rückzahlbar gedacht, im Falle der Uneinbringlichkeit jedoch in eine Subvention umgewandelt wurde. Diese Umwandlung war insofern unumgänglich und system-notwenig, als es eine Konkursordnung nicht gab.

Im Zuge der gegenwärtigen Reformen ändert sich die Rolle des Geldes. Damit müssen neben institutionellen Änderungen auch die geldwirtschaftlichen Instrumente ihrem ursprünglichen Inhalt nach wieder eingesetzt (Kredit wird wieder zum Kredit) beziehungsweise müssen neue implementiert werden (zum Beispiel Wechsel).

Im Hinblick auf die institutionelle Änderung kann man feststellen, daß nunmehr in allen Ländern der Übergang zum sogenannten „zweistufigen” Bankensystem vollzogen ist, das heißt, daß die Aktivitäten der Notenbank von den Kommerzaktivitäten deutlich getrennt wurden. Auf sehr jungen und somit schwachen Füßen steht zur Zeit noch die Unabhängigkeit dieser neuen Notenbanken. Ihre Unabhängigkeit ist formal zwar vorgesehen, steht aber auf sehr schwachen Füßen - ein Aspekt, dem im Hinblick auf die Finanzierung der

Budgetdefizite große Bedeutung zukommt. Die monetäre Gretchenfrage in diesem Zusammenhang lautet, ob beziehungsweise inwieweit die jungen demokratisch gewählten Regierungen der Versuchung widerstehen können, die notwendige, straffe Finanzdisziplin etwa zugunsten sozialer Ausgaben zu lockern.

Im Hinblick auf das monetäre Instrumentarium sehen alle Reformpläne vor, daß Kredite nach Marktprinzipien vergeben werden sollen. Dieser Ansatz ist jedoch in der Praxis noch nicht durchführbar, da er zu einer unüberschaubaren Anzahl von Unternehmenszusammenbrüchen und damit zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen würde. Folglich tendieren zur Zeit die meisten Länder zu einem langsamen stufenweisen Übergang, während Polen mit der „Schocktherapie” die härteste Vorgangsweise gewählt hat.

Weniger kompromißbereit gibt man sich hinsichtlich der Zinssätze - vor allem in den Ländern Mitteleuropas. In Polen, Ungarn, aber auch in der CSFR ist man bemüht, die Kreditzinsen über der Inflationsrate zu halten, das heißt einen positiven Realzinssatz zu erreichen. In der Praxis zeigte sich jedoch, daß selbst dadurch die Betriebe in vielen Ländern finanziell überfordert sind. Würde man die Konkursordnung strikt zur Anwendung bringen, wäre eine Rezession unausweichlich.

Nur noch erwähnt werden kann hier in diesem Zusammenhang, daß in Ungarn sowie in Polen die Tätigkeit von Auslandsbanken nicht nur möglich, sondern äußerst erwünscht ist. Außerdem ist im Zuge der Privatisierung in Ungarn ein Kapitalmarkt entstanden und an der Börse in Budapest notieren rund 15 Unternehmen.

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