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‚Marx schau oba’

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Gottes und Kreiskys Ratschlüsse sind unerforsch- lich. Doch auch auf die Gefahr hin, ergo ein Sakrileg zu begehen, wird man wohl noch fragen dürfen, welcher ökonomische Scharlatan dem Bundeskanzler eingeredet hat, daß Steuererhöhungen ein taugliches Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit seien.

Zwischen Keynesianern und Supply-Sidern liegen Welten; nur in einem Punkt sind sie sich, wenn auch mit unterschiedlicher Be-

gründung, einig: daß Arbeitslosigkeit mit Steuersenkungen zu bekämpfen ist.

Selbst wenn jedoch unter ganz bestimmten Umständen — dann nämlich, wenn das weggesteuerte Geld weder konsumiert noch investiert worden wäre — Steuererhöhungen einen positiven Beschäftigungseffekt zeitigen könnten, wird man wohl noch fragen dürfen, wie die Arbeitslosigkeit im (Wahl-)Jahr 1983 mit Steuereingängen des Jahres 1985 bekämpft werden kann.

Denn der größte — und sperrigste— Brocken im neuen Steuerpa- ket, die Zinsertragsteuer, soll (und kann wohl auch aus teils legislatorischen, teils verrech- nungs- und, vorsichtig ausgedrückt, liquiditätstechnischen Gründen) erst am 1. Jänner 1984 in

Kraft treten. Und da - außer bei zwischenzeitlichen Sparbuch- Saldierungen — die Zinsengutschrift für das Jahr 1984 erst zum Ultimo erfolgt, hat das Finanzministerium einen nennenswerten Eingang an Zinsertragsteuer nicht vor Jänner 1985 zu gegenwärtigen.

Spätestens an dieser Stelle ist der exakte Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen zu notieren — 15. Jänner 1983,15.30 Uhr —, denn das Verwandlungstempo dieser Steuer-Amöbe ist so atemberaubend, daß kaum die elektronischen, geschweige denn die Printmedien damit Schritt halten konnten.

Nach dem Stand vom 15. Jänner heißt das Ding zwar „Zinsertragsteuer“, hat aber noch gute Aussicht, sich als die Kapitalertragsteuer zu entpuppen. Andernfalls nämlich - Marx schau oba - ginge die SPÖ in die Geschichte des Sozialismus als die erste sich zu diesem bekennende Partei ein, die ausgerechnet die Kapitalerträge aus dem Einkommensteuersystem entlassen hat.

Was jedoch vielleicht schwerer wiegt als alle Ideologie: Mit der

Etablierung einer reinen Ertragsteuer außerhalb des Systems der Einkommensteuer ginge dem Finanzminister der einträgliche / Progressionsvorbehalt verloren.

Ist aber die Zinsertragsteuer im Grund nichts anderes als die gute alte Kapitalertragsteuer, die (ebenso wie die Lohnsteuer) als Quellensteuer auf die endgültige Einkommensteuerschuld angerechnet wird, waren wir am 13. Jänner Zeugen einer Weltpremiere: des frenetischen Beifalls (der Linzer Betriebsrätekonferenz) zu einer steuerlichen Schlechterstellung, nämlich zur Kürzung des Steuerfreibetrages für Zinseneinkünfte von bisher 7000 Schilling (bzw. bei Lohnsteuerpflichtigen ohne sonstige Einkünfte 17.000 Schilling) auf (beim gegenwärtigen Eckzinssatz) 4500 Schilling.

Aber man wird doch noch fragen dürfen, warum ausgerechnet die primitivste und volkswirtschaftlich am wenigsten erwünschte Sparform prämiert (Anm. d. Red.: Steuerfreiheit nur für eine Spareinlage bis zu 100.000 Schilling, die zum Eckzinssatz verzinst ist) wird.

Warum wird der endlich mündig gewordene Sparer, der die in Bindungsdauer und/oder Einlagenhöhe liegenden Ertragschance zu nutzen gelernt hat, zum Anti- Leitbild einer Partei, die den mündigen Arbeitnehmer, den mündigen Konsumenten, den mündigen Staatsbürger auf ihre Fahnen geschrieben hat?

Die heroische Geste, den Wählern reinen Wein einzuschenken, in allen Ehren, aber wenn man

sich den machiavellistischen Gedanken verkneift, das absichtliche Verspielen der zur Conditio sine qua non gemachten absoluten Mehrheit sei der eines Bruno Kreisky allein würdige majestätische Abgang von der politischen Bühne, wird man doch noch auf gut wienerisch fragen dürfen: Wer hat ihm’s — jetzt — g’schafft?

Der Autor ist Wirtschaftspublizist. Der Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Artikels in den vom Autor herausgegebenen „Finanznachrichten“ Nr. 3/83.

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