Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Missio
Schon lange habe ich mich gefragt: was fehlt der katholischen Kirche in der Bundesrepublik eigentlich? Bis in die siebziger Jahre hinein war sie noch gesellschaftlich relevant — sogar über die Sakristeitür hinaus. Sie wurde zwar in den Medien kommentiert und kritisiert, gefragt und gefordert, aber die breite Öffentlichkeit hat sich noch mit ihr auseinandergesetzt.
Heute interessieren sich bei ■ uns immer weniger Leute dafür, ob die Kirche den Menschen noch was zu sagen hat. Es gibt kaum noch Zeitungen und Journalisten die sich mit dieser öffentlichkeitsscheuen ■und überempfindlichen Institution noch herumschlagen wollen.
Wie gesagt, mir ist nie etwas Rechtes eingefallen, was denn unserer Kirche heute fehlen mag. Bis jetzt der Wiener Weihbischof die Lösung gefunden hat: um über die Kirche schreiben zu dürfen, brauchen katholische Journalisten eine missio canonica, genau, das ist es, was uns gerade noch gefehlt hat!
Daß wir da nicht selber drauf-gekommen sind! Gerade wir in Bayern hätten dafür ja ein großartiges historisches Vorbild: die geistliche Schulaufsicht!
Im letzten Jahrhundert hatte bei uns noch jeweils der Pfarrer die Aufsicht über die Schule und die Lehrer am Ort. Wenn so ein liberales, ungläubiges oder gar anti-klerikales Schulmeisterlein etwa frech behauptet hätte, die Erde sei nicht in sieben Tagen erschaffen worden, oder der Mensch stamme vom Affen ab, hätte man sich nicht lange herausstreiten müssen, sondern über die geistliche Schulaufsicht konnte man ihn einfach rauswerfen lassen. Kaum waren die Kinder des Irrlehrers brotlos, wurde dieser schnell wieder katholisch und die Erde wieder zur Scheibe.
So was Praktisches fehlt einfach der Kirche heute im Umgang mit Journalisten: Medien-Aufsicht durch eine missio canonica. Diese schützt zwar kaum vor falschen Ansichten, aber man kann die Schreiberlaubnis jemandem spektakulär wieder entziehen, wenn er sich nicht Rechtzeitig im Ordinariat erkundigt, was zur Zeit gerade die gültige Glaubenshaltung im Liebesleben ist.
Nun ist es ja in den seltensten Fällen so, daß man als Journalist etwas über die Kirche schreibt, was direkt mit dem Glauben zu tun hätte. So ist etwa die Art der Bischofsernennungen kein Dogma. und der Papst selbst spricht auch äußerst selten ex cathedra. Aber die Weihbischöfe tun dies viel öfter und sind weitaus unfehlbarer. Nun - so etwas glaubt eben ein Journalist wahrscheinlich erst, wenn seine Existenz von einer missio canonica abhängt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!