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Die leise Revolution der Information

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Willi Boskowsky hob die Hand eurn ersten Takt des Neujahrskonzertes — und gleichzeitig flimmerten die Philharmoniker über die Fernsehschirme aller Eurovisionsländer und mehrerer Intervisionsstationen, in Österreich alber erstmalig auch in Farbe.

Denn der erste Jänner war Stichtag für das Farbfernsehen in Österreich, des modernsten Massen-mediums modernstes Kind.

Mit dem Start der bunten Mattscheiben ist ein neuer Startschuß für noch besseres Service ' an Information und Unterhaltung gefallen — und eine neue Phase im Konkurrenzkrieg zwischen Geschriebenem, Gehörtem und Gesehenem entflammt.

Hatte 1955 Bundeskanzler Raab nicht erkannt, welche Bedeutung das Fernsahen in der Innenpolitik spielen würde, so sahen auch Zeitungen und Kindbesitzer damals nicht die drohenden Gefahren des „Patschenkinos“ für ihre Existenz. Der erste, der auif der Strecke blieb, war die Filmwirtschaft.

• Besuchte 1957 jeder Österreicher im Durchschnitt noch 17mal das Kino, sank dieser Satz im Jahr 1967 auf 9.

• Zwischen 1958 und heute mußten 150 österreichische Kinos den Betrieb einstellen.

• Produzierten österreichische Spielfilmhersteller 1955 noch 32 Streifen, sind es heute nur noch 5.

So seufzt seit Jahr und Tag eine ganze Branche, die noch in den fünfziger Jahren wie keine andere zu den „Neureichen“ der Nachkriegszeit zählte: „Wir sind am Ende.“

Aber das Fernsehen wurde auch um Schreckgespenst der österreichischen — und auch ausländischen — Zeitungsverleger. Besonders die Massenpresse bekam das Fernsehen in Jenem Maße zu spüren, in dem mehr Werbezeit und mehr Werbespots im Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Denn die österreichische Wirtschaft machte die gleiche Erfahrung wie vor ihr die amerikanische und deutsche. Ein 20-Sekunden-Werbefilm erzielt die vielfache Verkaufswirkung wie ein Zeitungsinserat — weil die Unmittelbarkeit und Penetration durch visuellen und akustischen Reiz etwa zwölfmal stärker ist. So verlagerten die großen Werbefirmen ihre Millionen aus den Zeitungsspalten in die Fernsehwerbung:

• In der Bundesrepublik stiegen die Anzeigen in Tageszeitungen von 1956 bis 1964 um 160 Prozent — das Werbefernsehen aber verzeichnete eine Steigerung der Aufträge um rund 800 Prozent.

• In Österreich stiegen die Kosten der Zeitungen um etwa den gleichen Prozentsatz, wie ihr Anzeigenetat zunahm — nur, daß eine starke Verlagerung von den kleineren Tageszeitungen zu den großen, überregionalen Blättern feststellbar war; in der gleichen Zeit erhöhte der Rundfunk seine Tarifsatz für das Werbefernsehen fast alle zwei Jahre und verzeichnete von Jahr zu Jahr mehr Aufträge.

Denn in Österreich stieg die Zahl der Fernsehgeräte im Jahresdurchschnitt um 77.000 — ein Zuwachs, den weder eine Zeitung an Lesern noch auch der bereits etablierte Hörfunk an neuen Hörern verzeichnen konnte. So blieb in Österreich nicht aus, was zu einem intemationäilen Phänomen das Informationswesens geworden war: eine flimmernde Revolution.

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