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Nachlese zu einer Tagung

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Es Steht das Wort „Ein Volk hat die Verfassung oder Regierung, die. es verdient.“ Man könnte das variieren, eine Gesellschaft habe diejenigen Massenmedien, die sie verdient. Beides kann einen negativen Akzent haben, soll es aber hier nicht, vielmehr interpretiert sein als eine Spiegelung der in der Gesellschaft vorhandenen GeisteshaltuBggjJaa im !

Der Wiener Kardinal rief Wissenschaftler der ganzen Welt nach München zu einem Gespräch über das Verhältnis von Wissen und Glauben heute. Eine alte Frage, die immer wieder gestellt wird, seitdem es Wissenschaft im heutigen Sinne gibt. Aber es hat damit gegenwärtig eine besondere Bewandtnis: Das

Gespräch ' scheint verstummt, im Gegensatz zur Jahrhundertwende (Darwin) oder der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Symptomatisch für diese Situation ist der Umstand, daß die deutschen Bischöfe bei einer angesehenen wissenschaftlichen Gesellschaft im deutschen Sprachraum anfragen ließen, wie es eigentlich mit dem Gegenüber von Naturwissenschaft und Theologie sei; man höre nichts mehr davon, keine Tagungen darüber wie heute allgemein üblich für brennende Fragen, praktisch keine Publikationen diesbezüglich. Die gefragte Gesellschaft gab eine ausweichende Antwort, der Wiener Kardinal aber handelte.

Alles das konnte naturgemäß ein großer Teil der Reporter, die sich mit der Konferenz befaßten, wohl nicht wissen, um so mehr als die Tagung beabsichtigt hinter verschlossenen Türen stattfand. Wollte man doch angesichts der besonderen Situation der Fragestellung das sensationshungrige Auge der Medien nicht dabei haben. So blieb es bei den vier öffentlichen Vorträgen, einer Fernsehsendung und der abschließenden Pressekonferenz, alles nur, unvermeidbar, ein verdünnter Aufguß des Konferenzgeschehens selbst.

Das muß sich in den Kommentaren der Medien darstellen; die Reporter lassen, was auch richtig ist, ihre eigenen Gedanken mehr sprechen als das, was eigentlich die Reportage hätte enthalten sollen, eine Wiedergabe des Geschehens. Aber

gerade das ist, wie hier gemeint sei, für den Wissenschaftler interessant.

Daß die der Kirche nahestehenden Organe natürlich anders akzentuieren als die anderen, sich ihr gegenüber neutral verhaltenden, ist klar. Erstere hatten oft den Konkordanzaspekt im Visier, im Sinne eines einander nicht Widersprechens, sich auf verschiedenen Ebenen Bewegens. Rolle spielte, aber sie war sich auch darüber im klaren, daß hier, wenn überhaupt, noch ganz andere Tiefendimensionen erschlossen werden müßten, solche, die in der Sache begründet sind und nicht nur im Verhalten des Humanum im persönlichen Gespräch.

Das Akzent-Spektrum der neu-

tralen Organe reichte vom Seniorenclub und mindestens andeutungsweise bis hin zur vorprogrammierten Veranstaltung ohne Sensation, wobei deutlich bemerkt sei, daß die Berichterstattungen weder unseriös noch unsachlich waren.

In diesen Reportagen kam vor allem sehr häufig die Distanz zum Ausdruck, welche heute die Gesellschaft der Wissenschaft gegenüber hat, um nicht zu sagen, ihr gestörtes Verhältnis dazu. Von der Bemerkung über den Nobelpreisträger, der so berühmt sei, daß er seine Vorträge nicht mehr vorzubereiten brauche, bis hin zur Meinung, daß im Meinungsstreit der Gegenwart Wissenschaft auch keinen Rat wisse, zeigt sich die Tendenz, sich gegen etwas abzuschirmen, das einem unheimlich ist, man nicht oder nicht mehr will, demgegenüber man sich selbst behaupten möchte, übersehend, daß man nur da mitreden (und mitbestimmen) kann, wo man etwas mitleistet. Die zur Konferenz Gerufenen aber, so sei hier gemeint, verstanden sich als zur Leistung unbedingt und zuerst Verpflichtete - und das nicht nur in bezug auf die Konferenz. Die Frage drängt sich auf, ob das der Gesellschaft immer recht ist, deren sie charakterisierender Programmpunkt die „Lebensqualität“ ist. Für die Wissenschaftler ist das die Herausforderung, eine Elite zu sein und es zu bleiben. Auch die Gesellschaft dürfte damit am besten fahren.

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