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Digital In Arbeit

Nicht nur Bestandsaufnahme

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Zwölf Monate lang soll analysiert werden, welchen Stellenwert die Famüie heute (noch) besitzt - im Rechtsleben unseres Staates, in der Kirche, in ihrer sozialen Umwelt, in der Freizeitgesellschaft, in den Massenmedien, im BUdungswesen, in der Arbeitswelt Und in ihrem Selbstverständnis, im Denken und Fühlen der Menschen, die aus ihr kommen, die in ihr leben oder die bereits gewiUt sind, sie in Frage zu stellen, sie über Bord zu werfen.

Ist dieses Infragestellen nicht an sich schon ein Zeichen dafür, daß hier etwas faul ist? Hätten die Menschen vor einem halben Jahrhundert die Themenstellung überhaupt verstanden, sie als berechtigt anerkannt? (Abgesehen davon, daß für etliche dieser Komplexe damals die Voraussetzungen noch gar nicht gegeben gewesen wären.)

Die Initiatoren des „Jahres der Famüie“ verteidigten sich gegen den Vorwurf, immer nur die „heüe Welt“, die „konfliktfreie Familie“ zu propagieren, die es in Wirklich-keit nicht gäbe. Für die extreme Linke gilt die Famüie als Relikt bürgerlich-repressiver GeseU-schaftsform. Die zweifeUos vorhandenen Krisen und Zerfallserscheinungen gelten aber nicht nur den Radikalen als Normalfall - weil es Familien gibt, die zerbrechen, weg mit allen Familien! Die lose Lebensgemeinschaft, wenn nicht die Kommune böte bessere Gemeinschaftsformen, die unserer Zeit mehr angepaßt wären, als die überholte Famüie.

Natürlich - wer selbst in einer gestörten Familie aufwachsen mußte, glaubt gern daran, daß dies der Normalfall wäre. Der wird auch schwer seine Kinder zu einem anderen Modell hinführen können. Wer selbst die Abwechslung im Geschlechtsleben der einmaligen Bindung vorzieht, wird die Tendenzen unterstützen, die ihm diese Freiheit versprechen. Nach uns die Sintflut.

Eine durch Jahre andauernde Meinungsmache in der Politik, in der Öffentlichkeit - und natürlich als Folge davon (oder selbst initiativ) in den Medien - hat den gesunden Boden, auf dem die Familie in Österreich trotz allem und nach wie vor steht, vergiftet. Nicht nur die Politik ist trotz aUer gegenteiligen Versicherungen der Familie abgewandt. Das beginnt bei der Planung zu kleiner Wohnungen und der Unmöglichkeit, sie dem jeweiligen Familienstand entsprechend zu wechseln; das geht über die Steuerpolitik, die kinderreiche Familien schon bei mittleren Einkommen benachteiligt, und die Büdungspo-litik, die die Erziehungspflichten von den Eltern auf die Schule überträgt, bis zur Freigabe der Abtreibung und der Erleichterung der Scheidung über ein tragbares Maß hinaus. Auf der ganzen Linie gilt die gestörte Familie als Richtpunkt, die nicht in der Lage ist, ihre Aufgaben zu erfüllen. Weil ihr geholfen werden soll - was selbstverständlich wäre - müssen alle andern, alle gesunden Familien auch in jenes Prokrustesbett gepreßt werden, das den gestörten als Korsett dienen soU.

Wen wunderts, daß diese Mentaü-tät Schule macht? Daß dann wirklich Faktum wird, worauf man auf allen Gebieten hinarbeitet?

Es wäre zu wenig, woUte das Jahr der Familie nur für den eigenen quasi internen Gebrauch den Status quo der Familie in Österreich erheben, daraus dann — wieder für den eigenen Gebrauch - Schlußfolgerungen ziehen (so sehr die vielen Möglichkeiten, in Eigenregie besser vorzugehen, wichtig, ja unerläßlich sind).

Das Jahr der Familie muß vor allem den Anstoß geben, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es muß wieder einmal gesagt werden auch in der Öffentlichkeit -, daß Ehe eine Bindung fürs Leben bedeutet, kein Privatvergnügen, das man wieder aufgibt, wenn man keine Lust mehr dafür verspürt. Daß Kinder nicht nur zur Kenntnis genommene „Verkehrsunfälle“ sein soUen, sondern bewußte Krönung der ehelichen Zweisamkeit -und daß es absolut nicht selbstverständlich sein muß, den ersten se-xueUen Regungen schon im früh-pubertären Alter nachzugeben. Es muß wieder einmal verkündet werden, daß eine GeseUschaft, die die Familie auflöst, auch sich selbst zersetzt; daß Gesetze, die die Grundlagen der Famüie außer acht lassen, zu dieser Zersetzung beitragen; daß eine Poütik, die glaubt, auf diesem Weg vordergründig Erfolg verbuchen zu können, nicht den über die nächsten Wahlen hinausreichenden Interessen von Staat und Volk dienen kann. Dies klar zu machen, wird die wichtigste Aufgabe des Jahres der Familie zu sein haben.

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