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Ö-Reform
Nördlich und östlich vom Freistaat Bayern reißen sich die Leute den Fuß aus, um ihr Land endlich nach unserem Vorbild zu reformieren. Die Sowjetunion, Polen und Ungarn sind schon auf dem besten Wege dazu. Selbst in der DDR bekommt der kommunistische Beton Risse und Spalten wie nach einem leichten Erdbeben.
Aber wo bleibt Österreich? Wir schauen ständig erwartungsvoll über den Zaun, ob ihr nicht auch bald mit Reformen anfangt.
Das beginnt schon einmal damit, daß eigentlich alle Österreicher zu schlecht bezahlt sind. Die einen kommen dennoch auf einen relativ hohen Stundenlohn, indem sie später anfangen und dafür früher heimgehen. Die anderen passen ihre Arbeitsmoral dem schlechten Lohn und Gehalt an. Jener Teil der Bevölkerung, der für schlechtes Geld gute Arbeit leistet, erhält irgendwie das Land und wird deshalb in Wien für deppert gehalten. Das ist ungerecht, aber logisch.
Dafür, daß mit wenigen Ausnahmen - wie Banken, Industrie, Großgastronomie und Zuhältereien - ansonsten alle Österreicher zu schlecht bezahlt sind, gibt es zahlreiche Privilegien und Sacharine (Ersatz-Zuckerl).
Auch die österreichischen Politiker werden schlecht bezahlt, weil der in Österreich extrem ausgeprägte Neid mehr nicht zulassen würde. Die Leistung der meisten Politiker entspricht auch der schlechten Entlohnung. Tüchtige Leute kriegt man nur in die österreichische Politik, wenn sie mit Nebeneinnahmen und Mehrfachpensionen vor den Arbeitsplatz-Risiken der Demokratie mit Gürtel und Hosenträger abgesichert sind.
Von Österreichs Öffentlichkeit - Medien wie Volk - werden stets ein paar hunderttausend Schillingen Mehrverdienst bei einem Politiker zehnmal größere Aufmerksamkeit geschenkt als einigen Milliarden Steuergeldern, die er falsch ausgibt oder richtig investiert.
Wenn sich nun Österreich auch zu einer Politik der politischen Reformen entschließen könnte, müßte es sofort aufhören, an den Doppel-Gehältern oder Dreifach-Pensionen von Spitzenpolitikern herumzu-nörgeln. Vielmehr sollten endlich nach diesen großen Vorbildern die gesetzlichen Normen für alle Österreicher ausgerichtet werden. Also nicht immer nur grübeln, wie man den Herren Vranitzky, Riegler, Karas und anderen etwas wegnehmen kann! Vielmehr aus deren Modell die Forderungen für alle ableiten: Jeder Österreicher braucht mehrere Gehälter und mehrere Pensionen!
Eine letzte Reform-Variante wäre allenfalls noch: Man zahlt alle gut, aber ehrlich je nach Leistung und Verantwortung. Aber das würde in Österreich schon an Revolution grenzen.
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