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Digital In Arbeit

Ohne Glaube

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In meiner künstlerischen Arbeit nimmt die religiöse Thematik einen relativ großen Raum ein. Etliche Themen aus dem Alten und Neuen Testament haben mich seit meiner Jugend beschäftigt: manche wie „Die Passion“, „Saul und David“, „Jakob und der blutige Rock“, „Der verlorene Sohn“, und „Hiob“ in ihrer Allgemeingültigkeit und ständigen Aktualität nachhaltigst. Zahlreiche graphische Arbeiten und Bilanzen sind entstanden, die in den letzten Jahren sogar zusammengefaßt in eigenen Ausstellungen unter dem Titel „Biblische Bilder“ gezeigt wurden.

Es wird wohl niemand annehmen, daß diese Thematik, die ja unserer Zeit recht fremd geworden ist, meinem Gestaltungstrieb und Kompositionsverlangen nur aus der einstigen Konvention heraus die Motive liefert, quasi als Staffage dient. Natürlich stehe ich als Künstler und als Mensch hinter diesen Aussagen, aber wie weit sich diese Aussagen mit meinem wirklichen Glauben vollkommen decken, ist eine Frage, die auf Herz und Nieren geht. Die aber schließlich doch offen bleibt. Wer ist schon ein wahrer Christ? Und wie weit im Werk der Glaube von der künstlerischen Imaginationskraft überholt wurde, kann man doch selbst nicht sagen: Die Aufgehobenheit im Glauben ist weitgehend verlorengegangen und ist in dem Jahrhundert, in dem die Analyse, die Skepsis, die Relativierung regiert, gefährdet, uns zu einer metaphysischen Hoffnung abzusinken und zu erlöschen.

Das Wort von den verlassenen Altären, die von Dämonen bewohnt werden, gewinnt Wirklichkeit. Was der Glaube der Kunst schenken kann, ist ja evident - der überwältigende Teil der abendländischen Kunst ist christliche Kunst aber ich denke, daß der Künstler heute mehr denn je selbstkritisch fragen muß, mit welchem religiösen Thema er sich noch ganz identifizieren kann.

Das zur Frage, wie weit der Glaube mit der Aussage übereinstimmt. Wesentlich für die Bedeutung als Kunstwerk ist, wie weit Form und Inhalt sich decken. Ein Beispiel bietet das Spätwerk Rembrandts: es zeigt Form und Inhalt in idealer Einheit und die unerhörte Steigerung, die er als gläubiger Mensch und als Künstler erfahren hat.

Gerne möchte man annehmen, daß das Beispiel allgemeingültig wäre, daß die menschliche, ethische Entwicklung gleichsam parallel mit der künstlerischen verläuft: leider ist das keineswegs die Regel und oft in tragischer Weise nicht der Fall. Gerade die Expressionisten, weiter gefaßt die „Ausdruckskünstler“, die für eine religiöse Kunst am ehesten prädestiniert sind, haben häufig im Spannungsfeld ihrer Jugend, in ihrer dämonischen Zeit, das Höchste geleistet.

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