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Rückschlag für Moskau

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Die Forderung der Dritten Welt nach einer „New Information Order“, die parallel zu den Auseinandersetzungen um eine „New Economic Order“ die Diskussionen zwischen Nord und Süd beherrscht, stand im Mittelpunkt der eben beendeten 20. Generalkonferenz der UNESCO, der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Das Ergebnis einer langen, heftigen Debatte war eigentlich überraschend: ohne Abstimmung wurde eine „Erklärung zu den fundamentalen Prinzipien in be-zug auf den Beitrag der Massenmedien zur Stärkung des Friedens und der internationalen Verständigung, der Förderung der Menschenrechte und der Abwehr von Rassismus, Apartheid und Kriegshetze“ gebilligt, die sich weitgehend an den Entwurf anlehnt, die eine Gruppe westlicher Länder als Gegenvorschlag zum ursprünglichen Entwurf präsentierte.

In dem stark von Moskau inspirierten ersten Entwurf der Mediendeklaration, die vor zwei Jahren in Nairobi beraten wurde, war der Begriff „free flow of Information“ durch die Formel „balanced flow“ ersetzt und die uneingeschränkte 'Verantwortung des Staates für die Information und die Informationsverbreitung festgelegt worden. Davon ist in der eben verabschiedeten „Erklärung“ keine Rede mehr.

An Stelle apodiktischer „Verpflichtungen“ traten jetzt „Feststellungen“ über die Rolle der Massenmedien und ihren Einfluß im internationalen Leben, gesamthaft als neutrales Faktum gesehen. Es fehlen die früheren Formulierungen, die der Presse Pflichten und Aufgaben zuweisen, es fehlen die dehnbaren Begriffe von Objektivität und Genauigkeit und es fehlen jene Bestimmungen, die die Deklaration für alle Journalisten und ihre Berufsorganisationen zur verpflichtenden Richtlinie machen wollten.

Bemerkenswert an dem Beschluß

der UNESCO ist die Tatsache, daß sich die Länder der Dritten Welt, die ursprünglich den sowjetischen Thesen über das Wesen der Informationsfreiheit zuneigten, sich am Schluß der Diskussion für den westlichen Standpunkt entschieden.

Die Vertreter der westlichen Staaten erklärten dazu übereinstimmend, daß sie die Forderung der Dritten Welt nach gleichberechtigter, aktiver Beteiligung am internationalen Informationsfluß als berechtigt anerkennen, wozu in erster Linie die Fähigkeit und die Möglichkeit der Entwicklungsländer gestärkt werden solle, sich am internationalen Informationsaustausch zu beteiligen.

Für die Sowjetunion bedeutet der Beschluß der „Erklärung“ einen schweren Rückschlag in ihren langjährigen Bemühungen um eine Beschränkung der Informationsfreiheit, um eine Auslegung des Begriffes „Information“ nach der sowjetischen Ideologie. Diese Bemühungen erstrecken sich seit Jahren auf alle internationalen Organisationen und Kongresse, mit wechselnden Frontbildungen.

Den Kernpunkt des ganzen Problems hat ein westeuropäischer Delegierter bei der Belgrader Nachfolgekonferenz kurz umrissen: „Die Vorstellungen darüber, wie der einzelne über die Ereignisse in der menschlichen Gesellschaft informiert werden soll, sind grundverschieden. Soll es Aufgabe der Presse sein, den Staatsbürger über das zu informieren, was der Staat für den einzelnen als gut erachtet, oder soll dem mündigen Bürger selbst die Möglichkeit gegeben werden, aus einer Fülle von Informationen unterschiedlicher Tendenz und Herkunft -auch unterschiedlicher Qualität -sich selber ein Bild zu machen, abzuwägen und zu Schlüssen zu gelangen?“

Aus dieser unterschiedlichen Auffassung ergibt sich die unterschiedliche Interpretation des Korbes III

Pkt. 2 „Information“ der Akte von Helsinki. Im Osten meint man, daß jede Verbreitung von Informationen der Stärkung des Friedens usw. dienen müsse, dem Wortlaut der Präambel nach aber würde die Verbreitung von Informationen nur zur Erreichung dieser Ziele (Stärkung des Friedens usw.) beitragen. Es kann keine Rede davon sein, daß sie ihnen dienen müsse.

Sehr deutlich hat der sowjetische Außenminister Gromyko die Vorstellungen Moskaus über die Informationsfreiheit in einem dem UN-Generalsekretariat am 8. August 1972 vorgelegten Entwurf über eine Konvention zur Regelung von Satellitenübertragungen dargelegt:

1. Ziel aller Übertragungen: Förderung von Frieden, Fortschritt und gegenseitiger Verständigung.

2. Gleichberechtigter Zugang für alle Staaten.

3. Direktübertragung in andere Länder nur mit ausdrücklicher Zustimmung.

4. Eine Liste der „unerlaubten“ Programme.

5. Recht der Staaten, gegen unerlaubte Übertragungen vorzugehen, nicht nur auf eigenem Territorium, sondern auch in anderen Ländern und im Weltraum.

6. Verantwortung des Staates für alle Direktübertragungen, gleichgültig von wem durchgeführt.

Das Problem wird auch im kommenden Jahr bei der nächsten Welt-Radiokonferenz (World Administration Conference WARC) virulent werden. Die Ostblockländer haben seit geraumer Zeit, hier unterstützt von den Ländern der Dritten Welt, den Begriff „Funkhoheit“ so interpretiert, daß er nicht nur das Recht zum Betrieb von Sendern umfaßt, sondern außerdem das Recht, ausländische Sender vom eigenen Hoheitsgebiet fernzuhalten. Der Westen wird gut tun, derartigen Bestrebungen von allem Anfang an energisch entgegenzutreten.

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