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Schild für Nordseeöl

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“ Im mittleren Drittel des Monats November fand, gleichsam als Antwort auf das sowjetische Seemanöver „Okean 1975“, ein großes Flottenmanöver der NATO im Nordatlantik statt. Es trug die Bezeichnung „Ooean Safari“; die Leitung lag in den Händen des amerikanischen Admif als Isaac C. Kidd.

Der Zeitpunkt war so gewählt worden, daß die Ausführung aller Bewegungen sowie die Zusammenarbeit unter ungünstigen Wetterverhältnissen, wie sie in dieser Jahreszeit in den nördlichen Regionen herrschen, geprobt werden konnten.

Die Nordatlantische Verteidigungsallianz, die immer wieder unter Rückschlägen politischer Natur zu leiden hat, zeigte in eindrucksvoller Weise, daß sie gewillt ist, die ihr gestellte Aufgabe zu erfüllen.

Man braucht sich keiner Täuschung hinzugeben, in den Süd- und westeuropäischen Völkern ruft der Gedanke an Verteidigungsanstrengungen vorwiegend Unlustgefühle hervor. Das Militärische entspricht nicht dem Zeitgeist, und es fällt auch einsichtigen Politikern schwer, sich für unpopuläre Ziele einzusetzen.

Aber die europäischen Staatsmänner haben die Mahnung des bisherigen US-Verteidigungsministers Schlesinger, die auch nach dessen Abberufung gilt, nicht vergessen: seine Erklärung, Amerika werde in Zukunft nur solche Staaten schützen, die gewillt und in der Lage seien, sich selbst zu verteidigen.

Wenn von den Problemen der NATO die Redeisti denkt manT vorwiegend an den Mittelmeerraum. Von Portugal bis zur Türkei gibt es in der Tat kaum ein Land, dessen innenpolitische und auswärtige Verhältnisse in solchem Maße konsolidiert sind, daß ihre Treue zur NATO für die Dauer gesichert erscheint.

Die Öffentlichkeit nimmt weniger zur Kenntnis, daß die NATO auch eine offene Nordflanke hat. In den Generalstäben fredlich schätzt man die Lage realistisch ein. Die großen Flottenübungen im Nordatlantik trugen einem dringenden militärischen Anliegen zur Sicherung dieses Raumes Rechnung.

Seine Gefährdung ergibt sich aus der außerordentlichen Stärke der vor Murmansk stationierten und im Nördlichen Eismeer operierenden sowjetrussischen Flottenverbände. Diese stellen die mächtigste der vier Teilflotten dar, über die Moskau verfügt. Hinzu kommt eine bedeutende Konzentration für eine Offensive vortrefflich geeigneter '. Heeres- und Luftwaffenformationen auf der Halbinsel Kola.

Begrenztes Ziel eines Vorstoßes der Sowjetflotte aus dem Eismeer nach Süden, aüs'de^'Ostsee nach Westen, und zu Lande über finnisches und schwedisches Gebiet zur nor-* wegischen Atlantikküste könnte die Nordsee sein, deren Besitz durch die reichen Ölfunde zu einer militärischen und wirtschaftlichen Trumpfkarte ersten Ranges geworden ist.

Von den Anrainerstaaten wissen die Briten, die sich den Löwenanteil an dem Schwarzen Gold in der Nordsee gesichert haben, am besten, welchen Anreiz Gebiete mit reichen Bodenschätzen auf eine imperialistische Großmacht ausüben. Dieses Mal allerdings befinden sie sich in der Rolle des Verteidigers.

Welche Bedeutung die Sowjets einer Kontrolle der dem Westen zur Verfügung stehenden Energiequellen und der Verbindungswege beimessen, geht aus der Zähigkeit, mit der sie sich im Indischen Ozean an den Persischen Golf heranschieben und aus ihrem Interesse für den Suezkanal hervor.

Eine begrenzte Aktion im nordeuropäischen Raum ist denkbar, ob-schon niemand mit Sicherheit voraussagen könnte, ob sie nicht doch die Auslösung eines Weitvemich-tungsmeohanismus' bewirken würde.

Das eben abgeschlossene Seemanöver diente dem Ziel, eine von Norden heranschwimmende feindliche Streitmacht abzufangen. Rund 80 Einheiten waren aufgeboten, auch französische Schiffe beteiligten sich, und starke Luftwaffenverbände wurden in die Übungen miteinbezogen.

Die Natur bietet den Verteidigern einen Vorteil. Die Inselkette, die sich von Island über die Färöer, die Shet-land- und Orkney7lnseln gegen die norwegische Küste hinzieht, kann für Verteidigungszwecke ausgewertet werden, beengt aber die Angreifer. Dadurch wird die Abschirmung der Nordsee und des Atlantiks erleichtert.

Die Schwäche eines Kontrahenten bildet immer eine Einladung zur Aggression für den andern. Anzeichen dafür, daß der vermeintlich Geschwächte sich wieder aufrafft, sind auch den Neutralen sehr willkommen. Gerade sie haben ein vitales Interesse am Gleichgewicht der Kräfte.

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