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Schwierigeres Reg

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Wenn Experten sich zu Tagungen über Födera- lismus treffen, geht es meist dar- um, daß „die Länder" geeint ver- suchten, „dem Bund" Kompe- tenzen in der Gesetzesgebung und in der Durchführung (Ver- waltung) abzuzwacken. Der Ausstoß der Juristen, Beamten und Politiker ist entsprechend papieren. Ob nun die Landes- oder die Bundesbürokratie eine bestimmte Verwal- tungskompetenz hat, mag dem einfa- chen Bürger zweit- rangig erscheinen.

Was liegt also nä- her, als das Muster- ländle beim Wort zu nehmen und zu schauen, ob es den Föde- ralismus, den es vom „zentrali- stischen Wien" einfordert, auch selbst an seine Landesbürger weitergibt. Lassen wir den Bre- genzer Historiker Meinrad Pich- ler zu Wort kommen: „Es gibt natürlich auch in einem Bun- desland wie Vorarlberg, obwohl vielleicht weniger als anders- wo, genauso einen Bürokratis- mus. Das vielgepriesene Subsi- diaritätsprinzip kommt nicht überall zum Tragen, wo es sinn- voll wäre. Die Vorteile des Klei- nen sind, daß man zu vielen Dingen leichter Zugang hat und die Nachteile sind die, daß die soziale Kontrolle größer ist."

Trotz Widersprüchen stehen die Vorarlberger positiv zum Land. „Ich glaube, daß in Vor- arlberg für die Politiker das Re- gieren schwieriger ist als in an- deren Bundesländern, weil die Bürger aufgeweckter sind und sich viele Dinge nicht gefallen lassen. Sei das beim Straßenbau, im Sesselliftbau oder bei ande- ren Dingen."

Zur Zeit erhitzt der Plan, die Schnellstraße S 18 zu bauen, die Gemüter. Die Grünen sprechen sich dagegen aus, eine neue Tran- sitroute zwischen Deutschland und Italien zu bauen. Nicht jedes Bundesland brauche seinen Transitverkehr.

Sogenannter Föderalismus kann auch dazu führen, daß das Land untere Ebenen der Amts- hierarchie mit mehr Kompetenz ausstattet und so Lebensberei- che bürokratisiert, die der Zen- tralverwaltung nicht so leicht zugänglich sind. Als Beispiel im an und für sich vorbildlichen Gesundheits- und Sozialwesen möge die Neuregelung der Sub- ventionen an Sozialhilfeeinrich- tungen dienen.

Früher wurden, wie allgemein üblich, Hilfseinrichtungen mit einer pauschalen Subvention bedacht, die im nächsten Jahr abhängig von Berichts- und Prüfergebnissen entsprechend erhöht oder gekürzt wurden. Als erstes Bundesland werden in Vorarlberg diese Subventionen nur noch gegen Verrechnung der Einzelleistungen vergeben. So mußten detaillierte Daten über die sozial bedürftigen Menschen - Lebensverhältnisse, Gebre- chen, Behandlungsdaten - an die Bezirkshauptmannschaften weitergegeben werden, damit die Verwaltung die Abrechnungen kontrollieren konnte. Unter den „Sozialfällen" sind auch viele Personen, die „amtsbekannt" sind. Für deren so- leren zialeEingliederung in die Gesellschaft ist es nicht gerade gut, wenn ihre In- timspäre der Bürokratie preis- geben wird. Die Sozialhelfer wurden so zu Kontrolloren, die das Vertrauen der Patienten aufs Spiel setzen mußten.

In den Ausbau der „pionier- haften Sozialpolitik" ist so mit dem „Grundsatz der Vertei- lungsgerechtigkeit statt Gieß- kannenprinzip" ein unguter Bei- geschmack gekommen.

Föderalismus kann nicht nur daran gemessen werden, wie- viel Kompetenz die Landesre- gierung für ihre Bürokratie her- ausschlägt. Föderalismus müß- te auch daran gemessen wer- den, ob auch die lokale Regie- rung und Verwaltung auf Macht gegenüber dem Volke verzich- tet und ihm hilft, seine Proble- me in menschlicher Weise mög- lichst eigenständig zu lösen.

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