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Seltsames Fremdwörterbuch

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Die Supermärkte bieten Waren aller Art an, darunter auch Bücher. So fand ich kürzlich in einem solchen Warenhaus ein in handlichem Format hergestelltes Büchlein: „Fremdwörter unserer Zeit“, erschienen im Praesentverlag Heinz Peter in Gütersloh. Auswahl und Zusammenstellung: Hans F. Müller-Hagen, Bearbeitung: Rolf Jero- min. Ein Erscheinungsjahr ist nicht angegeben.

Was man an Fremdwörtern aufgenommen hat, wird in der Einleitung festgestellt: nämlich nur solche, die erst in den letzten dreißig Jahren in die deutsche Sprache eingegangen sind, die man immer wie der hört oder liest, deren Bedeutung man also kennen sollte. Gedacht ist dabei an Ausdrücke wie Designer, Eskalation, Happening, Hearing, Infrastruktur, Marketing und ähnliche. Was allerdings Bezeichnungen wie Abwertung, Abseitsfalle (beim Fußballspiel), Beizvögel, Entziehungskur, Ersatzdienst und weitere mehr in einem' Fremdwörterbuch zu suchen haben, ist nicht zu verstehen.

Dann heißt es: „Die allgemein bekannten Fremdwörter sind in dieser Sammlung nicht enthalten“. Da muß man fragen, wieso dann Wörter wie Adoptieren, affektiert, akklimatisieren, Alibi, Amnestie, Anatomie, Antike, Antiquariat, Arroganz, Audienz, Bastard, Budget, Delta, deprimiert, Diktatur und viele andere ähnlicher Art aufgenommen wurden, Ausdrücke, die man zweifellos als allgemein bekannt voraussetzen kann.

Aber nicht darum geht es uns, sondern um die mitunter unrichtige oder begrifflich zu enge Erläuterung diverser Fremdwörter. Ein paar Kostproben!

Bei „exemplarisch“ steht: „nachdrücklich, streng“ statt beispielhaft, was sich zwischen Musterhaftem und Abschreckendem auf vieles beziehen kann. Bei „Approbation“ liest man: „amtliche Zulassung zur Berufsausübung Für Ärzte und Apotheker“. Gibt es etwa für Beamte und Lehrer keine Approbation?

Oder für Bücher, Schriftstücke, Akten? Bei „Lektorat“ heißt es: „Redaktion eines Buchverlages“. Wieder eine zu enge Begriffsbezeichnung! Als ob es nicht auch Lektorate für Lehrer an Hochschulen gäbe!

Falsch qrientiert wird man, wenn man bei „Promotion“ erfährt: „Prüfung zur Erlangung des Doktortitels“. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Prüfungen schon. vorbei sein müssen, wenn die Promotion, die Verleihung der Doktorwürde, erfolgt; der Promotor ist kein Prüfer, sondern der von der zuständigen Fakultät bestimmte Professor, der dem absolvierten Kandidaten das Doktordiplom überreicht. Auch die Erklärung bei „Fakultät“ als „Hauptlehrgebiet bzw. Fachge biet“ einer Hochschule stimmt in dieser Definition nicht, denn die Fakultät ist eine viele wissenschaftliche Fachbereiche umfassende Institution einer Universität oder Hochschule.

Zu eng wird der Begriff „Supplement“ als „Sonder- oder Ergänzungsteil einer Zeitung oder Zeitschrift“ erläutert; der Ausdruck bedeutet vielmehr allgemein einen Nachtrag oder Zusatz, etwa in Büchern oder lexikalischen Werken. Bei „Kollaborateur“ steht: Jemand, der im Krieg mit der siegreichen Besatzungsmacht zusammenarbeitet“. Kann ein solcher nicht auch mit den Unterlegenen Zusammenarbeiten oder mit einer Untergrundbewegung, natürlich auch im Frieden? Eine „Subvention“ ist nicht nur eine „staatliche Unterstützung“, sondern kann auch von kulturellen oder wirtschaftlichen Institutionen gewährt werden usw.

Welchen Zweck haben derart mißglückte Editionen? Wenn den Bearbeitern in vielen Fällen die eigene Erfahrung zu fehlen scheint, so hätten sie sich leicht in einschlägigen Fremdwörterbüchern (z. B. im Duden) orientieren bzw. unterrichten lassen können, statt andere unzureichend und unzutreffend zu belehren.

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