Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Skelett unter der Bankfiliale
Umbauarbeiten im Haus Renngasse 9 in der Wiener Innenstadt haben einen Einblick in fast 2.000 Jahre Geschichte ermöglicht. Beim Aushub für Neuadaptierun-gen einer Zweigstelle der Tiroler Hypobank stieß nämlich der Bautrupp von Architekt Johann Georg Gsteu im Kellergeschoß auf zahlreiche Gefäßscherben typisch römischer Provenienz, so-daß er vorübergehend das Terrain den Archäologen überließ.
Umbauarbeiten im Haus Renngasse 9 in der Wiener Innenstadt haben einen Einblick in fast 2.000 Jahre Geschichte ermöglicht. Beim Aushub für Neuadaptierun-gen einer Zweigstelle der Tiroler Hypobank stieß nämlich der Bautrupp von Architekt Johann Georg Gsteu im Kellergeschoß auf zahlreiche Gefäßscherben typisch römischer Provenienz, so-daß er vorübergehend das Terrain den Archäologen überließ.
Einen Bruchteil dessen, was die Spatenforscher unter Leitung von Ortolf Harl und Wolfgang Börner dann zutage gebracht haben, können Hypo-Kunden nun in einem kleinen, im Kellergeschoß etablierten Ausstellungsraum sehen. Keramikfunde aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert nach Christus sowie ein Model zur Ziegelherstellung zählen ebenso dazu wie das durch eine Bodenöffnung sichtbare Skelett eines Mannes, den man gegen Ende der Römerzeit hier bestattet hatte.
Zogen sich doch in der krisengeschüttelten Spätantike die Menschen in das nahe Legionslager Vindobona zurück und rissen das davor gelegene Werkstättenzentrum zum Schmelzen von Kupfer und Eisen sowie zur Keramikherstellung ab - es machte einem Friedhof Platz.
Und so fanden sechs Meter unter dem heutigen Straßenniveau Harl und sein Team auf dem Areal der mit zerbrochenen Gefäßen zugeschütteten Tonabbaugrube die Reste eines Friedhofes und zwar sechs Gräber, in denen die Toten nicht mehr verbrannt, sondern in gestreckter Rückenlage mit dem Schädel gegen Südwesten beigesetzt worden waren. Fünf Gräber schütteten die Archäologen wieder zu, eines ließen sie offen.
Die nächsten Spuren, die sie entdeckt haben, stammen erst aus dem frühen 14. Jahrhundert. Sie bezeugen die Existenz des sogenannten Salzburger Hofes, einer zwischen dem Baümgarten des Schottenklosters und ' der heutigen Wipplingerstraße errichteten Residenz des Salzburger Erzbi-schofs Chunrat.
Diese diente während der Türkenbelagerung von 1529 als Gefechtsstand gegen die türkische Donauflotte. 1559, nachdem Erzherzog Maximilian (später Kaiser Maximilian II.) die Stallburg bezogen hatte, verlagerte man Waffen und Munition in den bereits in landesfürstlichen Besitz übergegangenen Salzburger Hof.
1584 gab man Waffen und Munition in das an Stelle des abgerissenen
Salzburger Hofes erbaute kaiserliche Zeughaus. Es bestand aus zwei Komplexen: dem Oberen Arsenal, in dem historische Geschütze, Werkstätten für die Erzeugung und Prüfung von Gewehren und die kostbaren Waffen der kaiserlichen Leibrüstkammer untergebracht waren, sowie dem Unteren Arsenal, das die Ausrüstung der Kriegsschiffe barg.
Im Revolutionsjahr 1848 gingen die Aufständischen gegen das Zeughaus vor, das in der Folge über Weisung des Reichstages dem Volk übergeben wurde.
1856 übersiedelten die Waffen und Trophäen (sofern sie nicht gestohlen und unauffindbar blieben) in das neue Arsenal vor der Belvederelinie oder in die Waffensammlung des späteren Kunsthistorischen Museums. Eine kleine Muttergottesstatue, die über dem Tor des Zeughauses angebracht gewesen war, gelangte in die Kapelle des neuen Arsenals.
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts fiel das Gebäude der Stadterweiterung zum Opfer. 1875 wurde der Ringstraßenarchitekt Heinrich von Ferstel mit der Verbauung des Geländes beauftragt. Nichtsdestoweniger legten die Stadtarchäologen jetzt ein mächtiges Fundament des alten Zeughauses frei. Architekt Gsteu bezog es gestalterisch in die Adaptierung der Kellerräume ein.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!