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Sommerliche Steuergedanken

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Es hat wenige Sommer gegeben, in denen die Wirtschaftsjournalisten so wenig Mühe wie diesmal hatten, -ihre Seiten zu füllen. Das Zentralproblem ist die Frage: „Wie kommt der Staat zu seinen Einnahmen?“ Ein Beispiel, wie man es zu lösen versucht:

In der Diktion des Finanzministeriums ist der Erlaß GZ. 02 1330/1 IV/2/78 nichts Aufregendes, den damit wieder zum Leben erweckten Abgabenrechtlichen Erhebungsdienst (AED) hat es früher auch schon gegeben, jetzt hat man ihn halt mit neuen Aufgaben betraut. Dieser Erlaß organisiert den Erhebungsdienst, seine wesentlichen Befehle - Beschaffung wirtschaftlicher Nachrichten von steuerlicher Bedeutung durch Beobachtung von allenfalls mit Schwarzgeld unternommenen Weltreisen oder durch Verfolgen größerer Grundstückskäufe - haben bereits gehörig Wind gemacht. Weniger Wind gemacht haben die Anweisungen über die personelle Besetzung, aus denen eindeutig hervorgeht, daß eine bestimmte Anzahl von Organen tätig zu werden hat. Ausdrücklich erwünscht ist „Eigeninitiative“, mit bloßem Abdienen der Anweisungen ist es für den abgabenrechtlichen Erhebungsdiener nicht getan.

Der Geist des Fiskus verbirgt sich unter anderem in sprachlichen Wendungen, wie jener unter Punkt 1. (Zielsetzung): „Schwergewicht kommt Informationen über steuerrechtlich relevante Sachverhalte zu, von denen angenommen werden kann, daß sie zu Unrecht unbeobachtet bleiben.“ Relevant im Sinne eines Erhebungsdienstes kann na-

türlich nur ein Sachverhalt sein, der zumindest eine „Steuerverkürzung“ vermuten läßt. Nun wählt der Erlaßverfasser aber anstelle einer positiven Formulierung („Sachverhalte, die zu Recht steuerlich beobachtet werden dürfen“) die doppelte Verneinung, mit der sich Unterstellungen ungleich subtiler verkaufen lassen. „Zu Unrecht steuerlich unbeobachtet“ bleiben schließlich nur Gauner.

Möglicherweise werden die Steuerpflichtigen selbst etwas zur Klärung der Frage nach Steuerhinterziehungen beitragen: Sie brauchen lediglich darauf zu verzichten, Rechtsmittel zu ergreifen. Denn, so argumentiert der Fiskus neuerdings, hätten sie ein gutes Gewissen, würden sie ja geradezu darauf brennen, von einer Instanz in die nächste und schließlich zu ihrem Recht zu kommen. Jedenfalls eröffne der Fiskus gemäß Anweisung an ein großes Wiener Finanzamt bei jeder „Zuschätzung“, gegen die der Geschätzte kein Rechtsmittel ergreift, einmal prinzipiell das Finanzstrafverfahren, klagen Wirtschaftstreuhänder.

Dies alles geschieht in einer Zeit,

in der ein so krauses Werk wie das zweite Abgabenänderungsgesetz exekutiert werden soll. Für die Auffassungsunterschiede zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem hat schon der Gesetzgeber gesorgt. Wie unbedenklich Steuergesetze heute sind, hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals dokumentiert: Einige Gesetze hätten dem Fiskus zwar die gewünschten Eingänge t gebracht, waren aber nicht verfassungskonform und wurden kurzerhand aufgehoben.

Zufällig ist es sicher nicht, daß die verzweifelte Geldsuche ausgerechnet dann stattfindet, wenn der Steuerwiderstand sich eben erst zu einer handfesten Lastwagenblok-kade ausgewachsen hat. Die Leute wollen nicht mehr zahlen, als ihnen heute schon abverlangt wird - da kann man eben nur noch die Suche nach jenen aufnehmen, die ihre Steuern verweigern. Allenfalls kann man noch ein bißchen Klassenkampf spielen und ein Gehalt mit beschränkter Höhe diskutieren. Einzuführen . wird es nicht so schnell sein, denn es träfe ja auch sozialistische Millionäre.

Millionäre? Sozialistische Millionäre gibt's doch gar nicht: Vizekanzler Androsch ist „leider kein“ Millionär, alle ärmeren Sozialisten ohnehin nicht, und reichere als der Vizekanzler und Finanzminister dürften es in einer so sozialen Partei kaum viele sein. Wenn aber Androsch seinem Millionenvermögen öffentlich seine Millionenschulden gegenüberstellt und den resultierenden Minussaldo als „leider keine“ Millionen verkauft, dann sind fairerweise alle anderen Österreicher auch keine Millionäre. Denn Schulden haben die meisten und Millionen in bar die wenigsten.

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