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Spät kam der Protest

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Die sagenannte „Kleine Strafrechtsreform“ wurde am 8. Juli vom österreichischen Nationalrat mit großer Mehrheit angenommen. Diese Strafrechtsreform bringt einige sehr vernünftige Änderungen im Kraftfahrgesetz, ferner Strafverschärfung bei Tierquälerei (endlich!) und Kindesmißhandlung. Vor allem bringt aber diese kleine Strafrechtsreform Änderungen im Ehe- und Sexualrecht. Ehestörung wird in Zukunft nicht mehr strafrechtlich geahndet. Ehebruch — der nach bisher geltendem Strafgesetz ohnedies nicht vom Staatsanwalt sondern nur auf Grund einer Klage eines geschädigten Ehepartners geahndet werden konnte — wird nicht mehr strafrechtlich verfolgt, wenn die eheliche Gemeinschaft bereits mehr als ein Jahr aufgehoben war.

Homosexualität ist straffrei, wenn alle Beteiligten entweder über oder unter 18 Jahre sind. Wer Homosexualität zu Geld macht oder dafür wirbt, macht sich weiterhin strafbar.

Für das Gesetz stimmten die Abgeordneten der SPÖ und der FPÖ. Die ÖVP hatte den Klubzwang aufgehoben, aber nur relativ wenige Nationalräte dieser Partei machten von diesem Recht Gebrauch und stimmten gegen das Gesetz. Einige wenige ÖVP-Abgeordnete blieben der Abstimmung fern.

Seit einiger Zeit war bereits klar, daß die ÖVP im großen und ganzen nur versuchen werde, einige Verbesserungen bei den Punkten Homosexualität, Ehebruch und Ehestörung herbeizuführen, ansonsten aber für dieses Gesetz stimmen werde. Auf Grund einer Erklärung der österreichischen Bischöfe vom 8. Juni, die in sehr vorsichtigen Formen gegen die geplanten Änderungen Stellung nahm, konnten sich so manche Mitglieder des ÖVP-Klubs, die noch nicht jede Beziehung zum Christentum abgelegt hatten, sich im Gewissen beruhigt fühlen.

Und dann kam plötzlich die Bombe: Das Gesetz war bereits beschlossen als die österreichische Bischofskonferenz in sehr scharfen Worten gegen die neuen Bestimmungen im Bezug auf Ehestörung und Homosexualität Stellung nahm. Wie immer man zu dieser Stellungnahme stehen mag, so muß man doch feststellen, daß sie zu spät kommt.

Die neue Erklärung sagt im Grunde genommen nichts anderes als es auch die Erklärung der österreichischen Bischöfe von Anfang Juni tat. Sie sagt es nur in viel schärferen und präziseren Worten. Diese Präzision und diese Schärfe wären allerdings vor einem Monat besser am Platz gewesen als jetzt, da sie zu spät kommen.

Die „Furche“ war vielleicht die einzige Zeitung, die seinerzeit warnte, die sogenannte kleine Strafrechtsreform auf den Gebieten „Ehestörung, Ehebruch und Homosexualität“ in den Formen durchzuführen, wie sie vorgeschlagen und geplant waren. Obwohl über diese kleine Strafrechtsreform Monate und Monate beraten wurde und die verschiedensten Gremien zu Wort kamen, die verschiedensten Persönlichkeiten sich zu Wort meldeten und die verschiedensten pro und kontra geltend gemacht wurden, so wurden doch bei den Beratungen einige wesentliche Punkte übersehen.

Bei dem Gedanken, jede Ehestörung in Zukunft als straffrei gelten zu lassen, ging man von den an sich richtigen Standpunkt aus, daß eine Ehe, die bereits zerbrochen ist, durch eine Ehestörungsklage nicht wieder gerettet und geleimt werden kann. Dieser Standpunkt ist sicherlich richtig. Aber er ist nicht der einzige, den es zu beachten gilt Wer nur etwas die Geschichte des menschlichen Lebens kennt und die Geschichte der menschlichen Beziehungen, der weiß auch nur zu gut, welche Hasardeure, Abenteurer und Gangster sich auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Mann und Frau herumtummeln. Es gibt Don Juans, die einfach aus Lust am Abenteuer und ohne jedes menschliche Gefühl , und ohne Rücksicht auf persönliche Beziehungen, einfach aus Lust an Eroberungen, in Ehen einbrechen und sie zerstören. Es gibt dämonische Naturen, die aus Machtstreben heraus oder aus Minderwertigkeitskomplexen immer wieder versuchen werden, sich Menschen des anderen Geschlechtes hörig zu machen ohne Rücksicht darauf, ob dieselben verheiratet sind oder nicht Und es gibt Menschen, die einfach Lust haben, mit anderen Menschen zu spielen, so wie die Katze mit einer Maus spielt.

Was kann der eine Ehepartner machen, dem scheinbar plötzlich der andere Ehepartner abspenstig gemacht und entrissen wird? Soll er den Ehestörer verprügeln oder ihm Kupfervitriol in die Augen schütten?

Dann käme er mit dem Strafgesetz in Konflikt. Duellieren kann man sich auch nicht mehr. Es bleibt darni oft als einziger Ausweg die Scheidung und gerade das ist vielleicht sehr oft ein schlechter Ausweg. Denn der eine Ehepartner, dem der andere geraubt wurde, will ihn gar nicht verlassen, sondern will ihn wieder zurückgewinnen, will ihn’befreien aus einer Dämonie, und für diese Fälle hätte der Staat seine Hand reichen sollen, um dem geschädigten Ehepartner die Möglichkeit zu geben, Abenteurern und Hasadeuren das Handwerk zu legen. Aber all dies hat man nicht überdacht, obwohl das Leben doch Beispiele genug liefert, um solche Betrachtungen anstellen zu können.

Auch bei der Homosexualität hat man nicht alle Gesichtspunkte beachtet. Natürlich kann niemand bestraft werden, weil er eine homosexuelle Veranlagung besitzt. Ebensowenig kann jemand bestraft werden, der ein Alkoholiker ist. Aber wenn sich ein Alkoholiker im betrunkenen Zustand an das Lenkrad eines Autos setzt, dann muß der Staat Maßnahmen ergreifen, um hier Unglücke zu verhüten. Aus der Geschichte jener Staaten, in denen die Homosexualität straffrei ist, müßte man wissen, daß Erpressungen auf diesem Gebiet dennoch nicht auf gehört haben. Aus der Geschichte jener Länder, in denen Homosexualität bereits seit langer Zeit straffrei ist, müßte man auch wissen, daß es in diesen Kreisen sehr oft zu weitaus größeren Vergehen und Verbrechen kommt als in anderen Kreisen. Aber auch hier hat man sich scheinbar mehr von romantischen Hoffnungen als von nüchternen Erfahrungen beeindrucken lassen. Jetzt ist es für Edles zu spät, auch wenn die österreichischen Bischöfe noch so laut ihren Protest verkünden. Und es bleibt nur die Hoffnung, daß sie bei den kommenden Strafrechtsreformen, wie zum Beispiel auch auf dem Gebiet der Abschaffung des Paragraphen 144, rechtzeitig und laut ihre Stimme erheben. Und ebenso andere Menschen, die guten Willens sind. Denn von der Tötung ungeborenen Lebens sind nicht mehr viel Schritte zur Tötung „unwerten“ Lebens. Und dann Sind wir wieder dort wo wir bei Hitler schon waren: bei den Vemichtungsfabriken.

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