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Staatsmännisch

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Wenn Konservativen oder gar Liberalen im Wahlkampf nichts mehr einfällt, dann greifen sie ganz tief in den Zylinder und zaubern den bewährten Steh- satz: „...weil wir vom Wirt- schaften mehr verstehen!" hervor.

Das hat ihnen noch (fast) immer geholfen, in bundesdeut- schen Landen jedenfalls. Dort fühlen sich die Arbeitnehmer immer dann bei den S-Partei- en, den sozialdemokratischen, sozialistischen oder sozioöko- logischen, gut aufgehoben wenn der Lohn, von dem sie abhängen, so hoch wie möglich und außerdem noch sicher ist.

Wenn die Wirtschaft aber knirscht, wenn das Sparkonto in Gefahr gerät und sich die' Menschen über die nächste Urlaubsreise oder den neuen Wagen Gedanken machen müssen, dann entdecken sie in sich immer wieder liberale und konservative Gefühle. Sachver- stand in der Wirtschaft wird dann deutlich höher gehandelt als Solidarität - ohne densel- ben. Und den suchen sie dann nur selten bei Parteien mit dem runden S.

Soweit zur abstrakten Theo- rie der politischen Praxis. Bekanntlich gibt es überall dort Ausnahmen, wo Menschen konkret werden. Und so gibt es natürlich auch Angehörige von S-Parteien, die überaus viel von Wirtschaft verstehen.

Da gibt es beispielsweise im Ruhrgebiet einen Manager, dem es in der Tat gelungen ist, einen überaus maroden Stahl- riesen wieder in Schwung zu bringen. Und zwar dermaßen, daß ersieh auf internationalen Märkten nicht nur behaupten, sondern sogar wieder sehen lassen kann.

Und das trotz des notorischen Lohnniveaus und den zahlrei- chen Strukturproblemen im reichen Nordrhein-Westfalen. Der Dortmunder Spitzenma- nager hat gestrafft und saniert, geordnet und konsolidiert und das-politisch und ökonomisch - für unmöglich Gehaltene möglich gemacht.

Jetzt hat ihn der politische Aufsteiger des Jahres, der DDR-Ministerpräsident, ent- deckt und ihn beauftragt, den dahinsiechenden VLB-Levia- than in Deutschland-Ost zu revitalisieren.

Eine Aufgabe, vor der wahr- scheinlich selbst Herkules die antiken Hosen voll gehabt hätte. Nicht so das Wirtschafts- wunderkind Rohwedder, der die Hoesch-Gruppe rettete und den nun der Ost-CDU-Lothar verpflichtete. Der gelobte Wirt- schaftsheld ist nun freilich kein konservativer Kapitalist oder ein liberaler Manager. Er war Finanzstaatssekretär in Bonn und wäre um ein Haar in Düs- seldorf Wirtschaftsminister geworden - und zwar auf dem Ticket der SPD!

So verpflichtet also ein CD U- Ministerpräsident einen SPD- Staatssekretär, um die Schä- den der PDS-Wirtschaft zu reparieren. Wahrhaft staats- männisch!

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