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Stiefbrüderliche Hilfe

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Neten Kräfte, ihr Volk und ihre Regierung, wird den Arabern beistehen und wird sie auch weiterhin ermutigen und unterstützen. Wir sind eure treuen Freunde und werden euch auch in Zukunft helfen, denn dies ist die politische Linie der Sowjetunion, der Partei und der Regierung.“ Also sprach der als Friedensfreund sattsam bekannt Marschall Gretschko im Mai 1967, und zwei Wochen später standen Israels Truppen am Suezkanal, in Scharm el-Sheik, am Jordan und auf den Golan-Höhen.

In den folgenden Jahren ersetzte die Sowjetunion die enormen Materialverluste der Araber, jedoch vielfach mit Waffensystemen der fünfziger Jahre; und den hochtechnisierten Abwehrzaun gegen die israelische Luftwaffe errichteten sie, die Russen, in eigener Regie. Zwar proklamierten die Politiker rings um Israel alle paar Wochen den Rachefeldzug, sie schwelgten geradezu in dem, was die Sowjetpropaganda im Hinblick etwa auf die Gegner der deutschen Ostverträge als „Revanchismus“ abqualifiziert, aber die Russen standen unerschütterlich auf dem Bremspedal der arabischen Angriffsmaschinerie. Dafür schwätzten sie im Mai 1971 den Ägyptern einen Pakt auf, dessen Einseitigkeit in der Geschichte der sowjetischen „Freundschaftsverträge“ ohne Beispiel ist. Spätestens mit diesem Versuch, Ägypten zu einem Satelliten vom Niveau der terrorisierten CSSR zu machen, mußte Rußland sein wahres Ziel deklarieren: nicht der arabischen Sache zum Sieg zu verhelfen, sondern sich selber im östlichen Mittelmeer, im Roten Meer und im Indischen Ozean zu etablieren.

Die unerläßliche Voraussetzung dieser — im sowjetischen Politikverständnis: friedlichen — Machtergreifung war (und ist und bleibt) die Existenz Israels, und zwar eines starken, ja sogar eines zeitweise siegreichen Israel, aus dessen militärischer und wirtschaftlicher Überlegenheit man eine „imperialistische Bedrohung“ und teilweise „Versklavung“ der arabischen Welt sich zurechtkonstruieren konnte. Dieser „Bedrohung“ konnte, ja mußte man mit „brüderlicher Hilfe“ begegnen — in der Form der Konzentration von Raketen, Flugzeugen, Schiffen, Nachrichtenmitteln und Versorgungseinrichtungen, die man um jener viel weiter gestreckten Ziele willen dort brauchte. Mit Israels Fall hingegen wäre, zu früh, noch etwas anderes gefallen: das Alibi für diese Machtkonzentration^

Die von dem fast schon resignierenden Nasser-Freund Heikai vorgebrachte These, daß die Russen im Nahen Osten nicht Krieg und nicht Frieden, sondern den Zustand dazwischen wünschten — einen Zustand, in dem die Position der arabischen Staaten sowohl gegenüber Rußland als auch gegenüber Israel von Tag zu Tag schwächer werden mußte —, diese, These ist nun, wie es scheint, in Kairo offiziell akzeptiert worden. Der Geduldsfaden ist gerissen. Aber wer wird ihn knüpfen, und wie: zum wirklichen Frieden oder zum wirklichen Krieg?

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