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„Unloyale Konkurrenz” warf Frankreichs Staatspräsident Mitterrand den Österreichern in Sachen Grundig vor. Solche Vorwürfe hagelt es angesichts steigender Arbeitslosigkeit und anhaltender Konjunkturflaute immer häufiger.

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„Unloyale Konkurrenz” warf Frankreichs Staatspräsident Mitterrand den Österreichern in Sachen Grundig vor. Solche Vorwürfe hagelt es angesichts steigender Arbeitslosigkeit und anhaltender Konjunkturflaute immer häufiger.

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In der Bretagne haben dieser Tage erboste französische Fischer vor einer Präfektur ganze Kisten mit Fischen ausgeschüttet, um gegen allzu billige Importe zu protestieren. In mehreren Häfen der EG werden nämlich seit einiger Zeit große Mengen von Kabeljau aus Rußland, aber auch aus Norwegen und Island ausgeladen, zum Preis von zehn Schilling je Kilo, während der normale Preis 20 bis 30 Schilling beträgt. Dagegen sei natürlich ein Zoll von 15 Prozent wirkungslos, wird betont. Die EG-Kommission will jetzt mit Mindestpreisen für den Import von Fischen außerhalb der Zwölfer-Gemeinschaft antworten.

Die emsigen Bemühungen Rußlands und anderer Oststaaten, um jeden Preis Devisen zu bekommen, sind außer bei Fisch auch bei anderen Nahrungsmitteln, bei Textilien und Stahlprodukten zu spüren. Der Kampf um die Märkte wird angesichts der internationalen Konjunkturkrise aber auch zwischen westlichen Staaten mit großer Härte ausgetragen. Ob dabei Dumpingpreise oder staatliche Subventionen im Spiel sind, stets wird da von unlauterem Wettbewerb gesprochen.

Der Vorwurf einer unloyalen Konkurrenz war bereits vor knapp zwei Wochen vom französischen Staatspräsidenten auch gegen Österreich -wie vorher gegen den amerikanischen Hoover-Konzern - erhoben worden. Bei einer Fernsehdiskussion ging Mitterrand auf die bevorstehende Schließung des Grundig-Werkes in Creutzwald (Lothringen) ein und sagte wörtlich: „Österreich, das derzeitnicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, hat (Grundig) Hilfen, außergewöhnliche Finanzierungen in

Aussicht gestellt, die weit vorteilhafter sind, als wir sie bieten können. Das ist meiner Meinung nach eine unloyale Konkurrenz.” Bei den EG-Verhandlungen mit Österreich werde das natürlich zum Inhalt von Bedingungen gemacht werden.

„Man kann nicht zulassen, daß unter uns ein Wettbewerb dieser Art begonnen wird.” Bundeskanzler Vranitzky hat diese Vorwürfe und Drohungen deutlich zurückgewiesen und hinzugefügt, daß Frankreich eben im Wahlkampf stehe.

Der Blick auf die Wähler setzt offenkundig häufiger zusätzliche Akzente auf wirtschaftspolitische Bestrebungen, den Sorgen der Bevölkerung über Arbeitslosigkeit und anhaltende Konjunkturschwäche Rechnung zu tragen - nicht nur in Frankreich, sondern derzeit auch in Spanien, wo gleichfalls Wahlen bevorstehen. Und nicht zuletzt in den USA, denn Präsident Clinton muß bemüht sein, die Einhaltung von Wahlversprechen glaubhaft zu machen.

Weltweite Stahlkrise

Die weltweite Stahlkrise hat zu neuerlichen Spannungen zwischen den USA und Europa geführt. Die amerikanischen Strafzölle auf Stahlexporte werden auch Österreich, in erster Linie aber Deutschland und andere EG-Staaten treffen. Und nun ertönt der Vorwurf unlauteren Wettbewerbs auch aus der amerikanischen Flugzeugindustrie, die im vergangenen Jahr acht Milliarden Dollar Verlust gehabt haben soll.

Die Firma Boeing hat mitgeteilt, daß sie rund 28.000 Arbeitnehmer kündigen muß. Kalifornien, wo die Flugzeugbranche stark vertreten ist, hat schon derzeit eine Arbeitslosenrate von zehn Prozent (amerikanischer Durchschnitt: 7,2 Prozent). Der als reich geltende Bundesstaat fürchtet jetzt weitere Rückschläge wegen der angekündigten Kürzungen des US-Verteidigungsbudgets.

Deshalb hat Präsident Clinton bei einer Reise nach Kalifornien, dessen Bürger ja ihn gewählt haben, den europäischen Airbus zum Sündenbock der schlechten Verkaufslage bei den

Flugzeugbauern und ihren Zulieferern gemacht. Europa, so sagte er, habe in den vergangenen Jahren 26 Milliarden in die Konstruktion und Produktion des Airbus investiert, mit hohen Subventionen natürlich, und das vertreibe viele Amerikaner aus ihren Arbeitsplätzen. Mit anderen Worten: Der Airbus ist teilweise schuld an den drohenden Entlassungen bei Boeing.

Allerdings haben sich die USA und die Europäer vor drei Jahren darauf geeinigt, die öffentlichen Finanzhilfen in dieser Branche auf 25 Prozent zu begrenzen. Jetzt sieht es aber so aus, als wolle die neue Regierung in Washington diesen Vertrag überprüfen und vielleicht in Frage stellen. Präsident Clinton traf jedenfalls in Seattle, im Nordwesten der USA, wo Boeing seinen Firmensitz hat, mit maßgeblichen Vertretern der Flugzeugindustrie zusammen, um dort unter anderem auch über eventuelle Gegenmaßnahmen gegen die Airbus-Konkurrenz zu beraten.

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