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Unpersonen über 80?

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Ab 1. Jänner 1971 soll Kardinälen, die das 80. Lebensjahr überschritten haben, das aktive und passive Wahlrecht entzogen werden, dekretierte kurz vor Antritt seiner Asienreise Papst Paul VI. durch ein Motuproprio.

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Ab 1. Jänner 1971 soll Kardinälen, die das 80. Lebensjahr überschritten haben, das aktive und passive Wahlrecht entzogen werden, dekretierte kurz vor Antritt seiner Asienreise Papst Paul VI. durch ein Motuproprio.

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Sollte also während eines Konklaves ein Kardinal erst während der Papstwahl 80 Jahre wenden, dann scheint diese Bestimmung nicht für ihn zu geilten. Man spricht sehr gerne von „Altersklauseln und Altersgrenze“. Die gibt es schon längst im kanonischen Recht, und zwar was das Mindestalter anbelangt; so für die Eheschließung, die Erteilung der höheren Weihen und für Wahlen in

Ordensgenossenschaften. Bisher hat es aber noch niemals — und als Rechts- historiker kann ich etwas darüber sagen — eine Altersgrenze gegeben, durch die jemandem ein kirchliches Wahlrecht entzogen werden konnte. Bisher waren auch Kardinále vom strafweisen Entzug des Wahlrechtes ausgeschlossen, weil man unter allen Umständen vermeiden wollte, daß wegen einer solchen

Strafe womöglich die Gültigkeit einer Papstwahl in Zweifel gezogen werden sollte. Nun aber scheint das anders zu werden. Die Kardinále, die bei ihrer Kreierung ein feierliches Versprechen ablegen, für die Rechte der Kirche und des Papstes, selbst unter Einsatz ihres Lebens, einzutreten, verlieren nunmehr als Achtzigjährige das aktive und passive Wahlrecht. Ich werde also, sollte das Lexikon für Theologie und Kirche in einer neuen Auflage herauskommen und sollte dies alles wirklich Gesetz werden, einen Satz abändern müssen. Es wird dann darin stehen müssen: „Wählbar ist jeder getaufte Mann, der sich zum katholischen Glauben bekennt, ausgenommen Unmündige, Geisteskranke und Kardinále über 80 Jahren.“ Das Kuriose daran ist, daß eben nur Kardinale das passive Wahlrecht vertieren. Ein Bischof hingegen könnte gewählt werden. Ich gestehe ganz offen, daß mich diese Maßnahme sehr bedrückt. Während ein Bischof, wenn er das Resignationsalter von 75 Jahren erreicht hat, den Papst ersuchen kann, ihn zu entheben — das ist nämlich der wirkliche Sinn —, werden die 80jährigen Kardinale zu rechtlichen Unpersonen gemacht. Sie verlieren ihre wohlerworbenen Rechte entgegen einem Grundsatz in der Kirche, der bisher sakrosankt gehalten wurde. Sie werden einfach eliminiert. Ob das so richtig ist in einer Zeit der Flugzeugentführungen usw.? Könnten vor der nächsten Papstwahl nicht auch einige Kardinale entführt werden, und was dann, wenn plötzlich mehr 80jährige als junge Kardinále für das Konklave zur Verfügung stehen?

Auch fürchte ich, daß diese Entziehung des Wahlrechtes in den Ordensgenossenschaften Widerhall finden wird. Wie gierig diese Tendenzen ausgenommen werden, konnte man bei den jungen Theologen und nicht zuletzt auch aus dem neuerlich zu Wort kommenden Dozenten Doktor Holl bemerken, der schon mit 65 Jahrein die Kleriker eliminieren möchte, was für jene, die es wissen, eine deutliche Spitze gegen Kardinal König war, der, trotzdem er von einer anderen Teilnehmerin der Sendung „Frage der Woche“, die schon deutlich in der zweiten Blüte ihrer Jugend stand, als jung und fortschrittlich bezeichnet wurde, doch schon 65 Jahre alt ist. Und die jungen Theologen, die haben geradezu gejubelt über die Eliminierung der Alten. Ob sich denn keiner Gedanken darüber macht, daß es die 60- bis 70jährigen Priester waren, die die Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus unter den schwersten Opfern aufrecht erhalten haben und die es heute noch jenseits des Eisernen Vorhanges tun müssen? Warum nicht gleich einen Schritt weitengehen und diesen „Alten“ auch das „Recht entziehen“, Kirchenbeiträge zu bezahlen? Ich wäre sehr gespannt, ob das Canisius-Werk noch in der Lage wäre, seine Aufgabe zu erfüllen, würden alle „Alten“ die Zahlungen einstellen.

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