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Zur Ermutigung

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Am 29. Juni 1977 veröffentlichten dieB ischofskonferenzen der meisten europäischen Länder ein „Wort zu Europa“ als gemeinsame Erklärung. Aufsehen erregte, daß dieses von deutschsprachigen Bischöfen, wie den Kardinalen Höffner von Köln und König von Wien initiierte Dokument auch Zustimmung im europäischen Osten durch den Erzbischof von Zagreb fand, weitere Bi- schofskonferenzen sollen folgen.

Worin liegt nun seine Bedeutung? Ist es nur eine Ermutigung für den ins Stocken gekommenen europäischen Einigungsprozeß? Für eine Gemeinschaft, die sich nicht entschließen kann, ihre Gründungsverträge einzuhalten? Für Direktwahlen, die vielleicht tatsächlich stattfinden werden, aber keine parlamentarischen Rechte dem Europaparlament bringen dürfen. Ermutigung im Augenblick, da die öffentliche Meinung Großbritanniens umschlägt? Da neue Gründe gesucht werden, um Griechenland, Portugal und Spanien vor den Pforten warten zu lassen.

Zweifellos wird sich dieses „Wort zu Europa“ auch als eine derartige Ermutigung auswirken. Dies ist abhängig von der Stärke des heute in den westlichen Gesellschaften gegebenen Einflusses der Kirche auf die Christen und auf die Gesellschaft. Seine kirchliche Bedeutung geht darüber weit hinaus. Erstmals wird wieder eine gesellschaftspolitisch sichere Kirche sichtbar, in einer Frage von weltpolitischer Bedeutung, mit einem nicht defensiven, sondern positiven Entwurf.

Zum ersten Mal nach langem nehmen die verantwortlichen Hirten der Kirche eine Weichenstellung vor, stellen fest, mit welchem Zukunftsentwurf der Kirche und den Menschen am besten gedient ist. Historisch vergleichbar ist dies mit der Entscheidung für das konstantini- sche Modell oder für die Liga gegen die Türken oder für die de-facto-Un- terstützung der christlichen Demokraten im pluralistischen Staat des 20. Jahrhunderts. - ‘T.’fT

Die Tragweite kann wohl daran ermessen werden, wenn man bedenkt, daß die letzte derartige Weichenstellung für ein internationales Konzept, das von den europäischen Bischöfen getragen wurde, die „Heilige Allianz“ der nachnapoleoni- schen Zeit war.

Hier mögen manche einwenden: Wird so der Glaube reingehalten werden, so die Sitte verteidigt? Ist dies die Zuständigkeit der Bischöfe? „Das bedeutet keine politische Einmischung der Kirchen in den Staat, so wie uns das aus vergangenen Jahrhunderten in Erinnerung sein mag.“ (Kard. König.) Es ist vielmehr eine aus menschlicher Klugheit verantwortete Wahl des Episkopats, unter welchen Umständen das Evangelium die relativ größte Verkündigungschance hat, mit welchem Zukunftsentwurf am wirkungsvollsten ,jür die Ehre Gottes, für den Frieden, für die Gerechtigkeit, für die Grundrechte und für die Brüderlichkeit unter den Menschen“ (Paul VI.) eingetreten werden kann.

Kirche besteht nicht aus reinem Geist. Kirche bedeutet auch Inkarnation christlicher Prinzipien im Kleide jeder Zeit. Dazu bedarf es zeitgerechter Imperative, konkreter Entwürfe, die nur hier und jetzt gültig sein mögen.

Sie mögen vergänglich sein, nicht zu den ewigen Werten des christlichen Glaubens gehören. Sie werden gewechselt werden müssen, es wird aber immer wieder neue Einkleidungen zeitloser christlicher Prinzipien geben müssen, um eine „glücklichere Entwicklung und eine hoffnungsvolle Zukunft“ (Paul VI.) zu sichern.

Die europäischen Bischöfe haben eine solche Entscheidung vorgeschlagen: „Daß ich die europäischen Länder eines Tages dauerhaft zusammenfinden“.

Sie haben damit auch auf die Europaratsbotschaft Papst Pius VI. vom 26. Jänner 1977 reagiert, der aussagte: „All unser Tun zielt auf die Entfaltung einer solchen Dynamik ab.“

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