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Die Gabe des Geschichtlichen

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GELEBTES WORT. Von Reinhold Schneider. Herausgegeben von Curt Winterhalter. Verlag Herder, Frei- burg-Basel-Wien, 1961. 334 Seiten. Preis 17.50 DM.

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GELEBTES WORT. Von Reinhold Schneider. Herausgegeben von Curt Winterhalter. Verlag Herder, Frei- burg-Basel-Wien, 1961. 334 Seiten. Preis 17.50 DM.

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In den Bildwerken der Gotik finden wir eine körperliche Darstellung des geistigen Inhalts unseres Glaubens, dem Auge zugänglich durch die Mittlerschaft der Kunst und doch in keinem inneren oder äußeren Widerspruch zu den Worten der Heiligen Schrift. Derselben Erscheinung begegnen wir nach dem Zeitenwandel wieder in den Schöpfungen der Renaissance und vervielfacht in den Werken de Barocks. Immer schreitet die Gestaltung des Geistigen fort unter der Einwirkung der Epoche, sie erhebt sich auf der Grundlage des unbedingt Feststehenden einer religiösen Aussage zur freien Formung, die sich aus der Wesenheit der Menschen und ihrer Gegenwart ergibt. Diesen bildenden Künstlern, die ihr Glaubensgut mit inniger Hingabe betreuen und für die Sehenden glücklich gewandelt haben, ohne jemals die Grenzen des Verkündeten zu überschreiten, erscheint unt Reinhold Schneider verwandt.

Die vielen Schriften des 1958 im Alter von 55 Jahren Verstorbenen sind ein leidenschaftliches künstlerisches Bekenntnis zur Nachfolge Christi und zugleich eine kämpferische Philosophie, aus unserer Zeit und für sie geschaffen. Curt Winterhalter legt uns nun eine Sammlung und Auswahl der Schriften Schneiders vor, die von 1935 bis 1955 reicht, hauptsächlich aus den verhängnisvollen vierziger Jahren stammend, und die ebenso dem Kenner seines umfangreichen Wirkens wie auch dem neuen Leser einen Überblick über Ideen und Aussage gewährt. Der gut erdachte Gesamttitel „Gelebtes Wort" bezieht sich zweifach auf den Autor, auf seine Person selbst, da er im Worte Gottes gelebt hat, und auf die Heiligen, denen ein Gutteil seines Schaffens gewidmet ist.

In solchem Sinn einer umfassenden Darstellung hat der Herausgeber das Buch in zwei Teile gegliedert: „Glaube, Wahrheit, Friede" und „Gottes Reich auf Erden und im Himmel“. Der erste Teil bildet eine ungemein bezeichnende Schau über das Ringen für die universelle Befestigung des Glaubens mit in schönster Weise kämpferischen Auseinandersetzungen um die Begrifft dės Glaubens selbst, des Friedens und der Ewigkeit. Die’ Heiligst sind die Gabe des Geschichtlichen an den Himmel, „in ihnen ist das Reich, soweit es in Wahrheit auf Erden war". Deshalb verkörpert der zweite Teil des Sammelbandes die Heiligen und ihr Leben, Maria vor allem, Josef, Petrus und Paulus, dann Elisabeth von Thüringen, Ignatius von Loyola, Franz Xaver und Therese von Avila. Der wunderbare Heimweg, „den wir Geschichte nennen", wird hier an dem Dasein der Heiligen erleuchtet. Schneider ist in diesen Darstellungen der große Geschichtsschreiber, der das seelische Erlebnis des einzelnen von der Kirche Verehrten mit feinster Gestaltung des Ur- persönlichen in die historisch klar gezeichnete Umwelt der Zeit einfügt. Dieses Buch, dieses Denkmal für den vor dreieinhalb Jahren seinen Freunden allzufrüh Entrissenen, besitzt die Plastik eines echten Standbildes. Wir sehen vor uns den Diener des Herrn, den hohen Denker und Dichter und den im Irdischen fußenden Menschen.

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