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Studentische Zentren des Geistes

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Die westlichen Bundesländer sind in diesen Wochen Schauplatz von Treffen studentischer Jugend des ganzen Kontinents und auch der Übersee. Unter welchem Titel immer, von wem auch veranstaltet, alle diese Zusammenkünfte verfolgen im wesentlichen den gleichen Zweck.

Die große, zeitliche Zäsur im studentischen Betrieb, die Sommerferien, soll zum Teil dazu verwandt werden, auf gelockerter Basis akademische Lehrkräfte und Lernende des In- und Auslandes zusammenzuführen. An Hand von Vorträgen, Diskussionen und geselligen Veranstaltungen soll nicht nur das eigene fachliche Wissen vertieft und die Kenntnis um die neuzeitlichen, wissenschaftlichen Errungenschaften erhöht werden — der Mensch schlechthin ist es, der den ersten Platz einnimmt. Verständnis füreinander soll geweckt werden, die Erkenntnis, daß der andere trotz sprachlicher, politischer oder religiöser Verschiedenheit doch eben auch nichts anderes ist als das, was der Angelsachse mit „human being“ bezeichnet. Daß nun gerade in Österreich sich so viele Kräfte um diese Gedanken und ihre Durchführung bemühen, ist aus dem Drange verständlich, das nachzuholen, was zu erwerben durch Jahre die äußeren Machtverhältnisse unmöglich gemacht hatten.Wir sind überzeugt, daß diese Treffen mit eine Vorbedingung zur Schaffung friedlicher, internationaler Verhältnisse bilden. Freilich ist in der Zusammen- und Zielsetzung dieser Lager naturgemäß schon eine gewisse Beschränkung gegeben. Es handelt sich um ein beachtens- und liebenswertes Aufzeigen vorhandener Kräfte, ein Revuepassieren des Geistes, eine Lehre vom Verkehr der Menschen miteinander. Was darüber hinaus nottut, ist die Schaffung von Gelegenheiten, wo österreichische Studierende aller Fachrichtungen sich mit dem für alle gemeinsamen, grundlegenden Gedankengut der abendländischen Zivilisation in klarer, systematischer und zielstrebender Weise vertraut machen können. Erst mit einer solchen weltanschaulich gefestigten und abgeklärten Grundlage werden auch die anderen Veranstaltungen wirklich fruchtbringend sein.

Daß es sich hiebei nicht nur um theoretische Überlegenheit handelt, sondern um Dinge, die in der Praxis durchführbar sind und auf lebhaften Widerhall stoßen, bewies ein in diesen Tagen in der Abtei S e c k a u veranstaltetes „Collegium“. Etwa 70 Jungakademiker und -akademikerinnen der Universitäten Wien, Graz und Innsbruck hatten sich für zwei Wochen in den Räumen der Abtei zusammengefunden, um hier in Einordnung in den großen Rahmen des mönchischen Tages, sich mit den grund' legenden Geistesbegriffen des, christlichen Abendlandes vertraut zu machen. Persönlichkeiten von Überzeugung und Format hatten sich als Lektoren zur Verfügung gestellt. Drei je zwölfstündige Vorlesungen behandelten folgende Themata: „Christliche Lebenskunde“, „Aufriß der Glaubenslehre“, „Die Elemente der christlichen Philosophie“. Darüber hinaus wurden in Abendvorträgen und Diskussionen aktuelle Tagesfragen besprochen. Außerordentliche Klarheit, Systematik und Zielgebundenheit ordneten alles dem einen Zweck ein, konkrete geistige Basis zu sein und zu geben. Trotzdem blieben Weite und Freiheit des Gedankens, das Recht von „Für und Wider“ durchwegs gewahrt.

Es ist geplant, dieses Collegium nächstes Jahr fortzuführen. Biologie, philosophische Propädeutik, Morallehre, Exegese und ähnliche Themata sind neben den aktuellen Tagesfragen vorgesehen. Innerhalb von drei Jahren sollen so die widitigsten Gebiete erarbeitet werden. Ehirch die Abgeschlossenheit des einzelnen Collegiums in sich soll aber auch neu hinzustoßenden Hörern die Möglichkeit der Teilnahme geboten werden.

Auch der kritische Beobachter konnte sich nicht eines starken Eindrucks entziehen. Die Studenten nahmen von Seckau nicht nur geistige Erholung und neuentflammte Begeisterung mit hinaus in den Alltag, sondern als Wesentlichstes ein fest geformtes und umrissenes Gedankengut, das sie befähigen wird, nicht nur Träger, sondern auch Künder der ewig gleichbleibenden Werte zu sein.

So schließt sich der aufgezeigte Kreis dieser Studententreffen. Wir wollen weder der einen noch der anderen Art die Ausschließlichkeit reden, wir wollen nur feststellen, daß eine Art allein nidit allen Bedürfnissen Rechnung trägt. Weder der intellektualisierende Internationalist, der keine eigene Linie mehr findet, noch der geistig klar Ausgerichtete, der aber wiederum ohne Verständnis und Anerkennung für seine Umwelt, deren Menschen und Formen ist, wird der Gegenwartsaufgabe entsprechen.

Was wir benötigen, ist eine gesunde Wechselwirkung, von der schließlich beide Teile Nutzen ziehen werden.

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