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Erdöl macht optimistisch

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In Spanien ist Erdöl gefunden worden. Fast 30 Meter hoch scholl ein Petroleumstrahl in den Himmel, ein Indiz selbst für den ärgsten Skeptiker, daß man auf eine beachtliche Erdöltasche gestoßen ist, deren Ausbeutung vermutlich rentabel sein könnte. Wesentlich mehr in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht über dieses Ereignis auszusagen, hieße sich auf den schwankenden Boden purer Hypothesen begeben. Denn wer je einmal mit Petroleumfachleuten zu tun gehabt hat, weiß, wie schweigsam sie sind. Aber man kann fast mit Händen den Stimmungsumschwung in Spanien greifen, seit in der Nähe der kasti- lischen Stadt Burgos in der ersten Juniwoche eine Dusche von schwarzem, klebrigem öl den erschrockenen Bauern des Dörfchens Val- deajos — Knoblauchtal — einen Teil der Ernte verdarb.

Die politische Mißstimmung beschränkt sich natürlich nicht auf den Landwirtschaftssektor. Auch in der Innenpolitik haben wir, wie bei den Streiks im Sozialpolitischen, eine paradoxe Situation vor uns: In einem autoritären Einparteistaat besteht eine solche Unzahl von legalen, tolerierten und illegalen Gruppen und Klüngeln, daß es unmöglich ist, die Übersicht darüber zu behalten. Da wird intrigiert, demonstriert und protestiert, man bekämpft sich, schon ziemlich öffentlich, in Wort und Schrift, und die etwa 30 bis 40 Sprengkörper, die in den vergangenen Wochen hier explodierten — inzwischen haben keine neuen Anschläge mehr stattgefunden —, dürften vermutlich auch auf das Konto einer oder einiger der politischen Grüppchen zu buchen sein, die seit einigen Monaten wie Pilze nach Regen aus dem Boden schießen. Hat, fragt man sich, das Regime ernstlich den Weg wohl beabsichtigten großen Zukunftserwartungen, die die Presse daran knüpft — Spanien könnte seihen Bedarf von zehn Millionen Jahrestonnen Petrol Vielleicht bald aus der Eigenproduktion decken —, viele Spanier, die bisher sagten: „So geht es nicht mehr weiter”, nun meinen: „Ach, es wird schon wieder gehen.”

Notlösung in Asturien

Wer Franco übel gesinnt ist, knurrt nur: „Glück hat der Mann, es ist nicht zum Aushalten!” Wer treu zum Caudillo steht, ist fast der gleichen Meinung: „Franco hat eben immer Glück, und das ist die wichtigste Voraussetzung, die ein erfolgreicher Staatsmann mitbringen muß”. Jedenfalls fassen weite Kreise, vermutlich die Mehrheit im Land, erneut Hoffnung und sehen der Zukunft mit mehr Optimismus entgegen. Aber soll das bedeuten, daß in letzter Zeit in Spanien Kopfhängerei und Krisenstimmung herrschten? Zumindest darf man von einem seit langem schwelenden Unbehagen sprechen.

Der Streik im asturischen Minengebiet ist bis auf unbedeutende Ausstände zu Ende, und wer jetzt dort noch feiert, gehört hauptsächlich zu den von den Unternehmen strafweise bis etwa Monatsende Ausgesperrten. Aber gelöst ist das Grubenproblem nicht. Die Arbeiter, genauer: ihre Führer, haben recht genaue Vorstellungen von dem, was sie zu erreichen wünschen, und das geht ziemlich weit. Ihnen steht eine Unternehmerschaft gegenüber, deren Politik der „harten Hand” nicht mehr in unsere Zeit paßt und die alle Zugeständnisse ablehnt. Zwischen beiden ist das Regime verklemmt, heute behutsamer als noch vor wenigen Jahren. In führenden Kreisen greift immer mehr die Meinung Platz, daß es nur eine Lösung für die Asturienfrage gibt: die Nationalisierung der Minen. Dazu aber fehlt es an Geld und Entschiedenheit, so daß das Bergbauproblem ungelöst bleibt und weiterhin von Zeit zu Zeit durch Monsterstreiks Unruhe und äußerst bedenkliche wirtschaftliche Verluste verursachen wird.

Es kriselt ln Stadt und Land

Lohnkonflikte gibt es aber auch in anderen Industrien, und wenn die Zahl der derzeit Streikenden auch nur ein paar Tausend ausmacht — die Angaben darüber sind sehr vage —, so ergibt sich doch die absurde Situation, daß es fast ununterbrochen zu Arbeitsniederlegungen kommt, obwohl Streiks verboten und nach Ansicht einiger Persönlichkeiten des Regimes gar ein Verbrechen sind.

Noch weit ernster ist die permanente Landwirtschaftskrise, hervorgerufen zum geringen Teil durch die Trockenheit, hauptsächlich aber durch die staatlich vorgeschriebenen, oft nicht kostendeckenden Höchstpreise, durch Lohnerhöhungen, die, so ärmlich sie sich auch ausmachen, für Güter bis zu 15 Hektar unzumutbar sind, da der Jahresertrag eines Arbeiters bis zu 50 Prozent unter seinen Bezügen liegt; hervorgerufen endlich durch altertümliche Produktionsmethoden, die bewirken, daß fast 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind, jedoch bloß 27 Prozent des Volkseinkommens erzeugen. Wie weit die aus diesen Verhältnissen entsprungene Malaise gediehen ist, wurde bei einem Bankett zu Ehren eines Bauernführers ersichtlich, wo derart aufrührerische Worte fielen, daß man sich in einem demokratischen Staat wähnte.

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