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Ohne den Hinterhof keine reale Weltmacht

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Frankreich will Weltmacht sein. Premier Balladur hat dies anläßlich der Ruanda-Mission unmißverständlich klargemacht. Dabei wird Afrika bitter benötigt.

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Frankreich will Weltmacht sein. Premier Balladur hat dies anläßlich der Ruanda-Mission unmißverständlich klargemacht. Dabei wird Afrika bitter benötigt.

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Die französische Präsenz in Schwarzafrika war in der Kolonialzeit zunächst eine militärische. Heute hat sie sich in eine kulturelle gewandelt - im Bahmen der Frankophonie - , aber auch in eine wirtschaftliche im Zusammenhang mit der Franc-Zone mit hohen Kapitalinteressen. Dp Gaulle hat seinerzeit diese Franc-Zone als wichtiges Symbol der Unabhängigkeit der französischen Afrika-Politik und als ein konkretes Zeichen des Stellenwerts Frankreichs in der Welt be zeichnet. Man nannte Afrika die pre carre, den Hinterhof von Paris.

Heute erzählt man, daß nach der Konferenz Frankreichs und Afrikas in La Baule im Juni 1990 Afrika das demokratische und das Mehrparteiensystem übernommen habe. Das ist ganz falsch. Denn schon vor dieser Konferenz hat es in Afrika starke Demokratisierungsbewegungen gegeben. Frankreich ist nur auf den Zug aufgesprungen - und nicht mit Begeisterung; denn Paris hat diese Bewegungen nur sehr zwiespältig unterstützt. Mit seiner militärischen Präsenz hat es jahrzehntelang den Diktatoren geholfen. Heute betont man: „Autoritäre Präsidenten sind in Afrika nicht in Mode. Wir versuchen die Demokratisierung zu ermutigen.

Die afrikanische Demokratie kann existieren, wir müssen helfen, ohne uns einzumischen", so Michel Boussion, französischer Minister für Entwicklungszusammenarbeit.

Daß Frankreich die Demokratisierungsbewegungen nie ehrlich unterstützt hat, sehen wir in seiner Haltung gegenüber Togo, Zaire und neuerdings Buanda. Daß es eine Evolution in Afrika gibt, ist zwar französische Einsicht, aber gleichzeitig will Frankreich auch weiterhin seine alte Bolle spielen, wenn es um seine Interessen geht.

Nach dem Ende des Kalten Krieges haben die Amerikaner und die Bussen ihre militärischen Basen im Ausland zurückgenommen und ihr Budget für militärische Beratung reduziert. In diesem Kontext muß man sich fragen, warum heute noch mehr als 11.000 französische Soldaten in Afrika stehen.

Die Franzosen behaupten, sie könnten Gefahren bei territorialen Ansprüchen, bei ethnischen, religiösen und politischen Spannungen minimieren. Aber in Buanda hatte die Präsenz Frankreichs ein anderes Ziel: denn als im Oktober 1990 die Buandesische Patriotische Front (BPF) und die nationale Armee einander bekriegten, kämpften die französischen Soldaten mit der Nationalen Armee gegen die BPF.

Heute sieht man auch einen Wechsel in den wirtschaftlichen Beziehungen Frankreichs zu Afrika. Außer Nigeria, dem Maghreb und Südafrika gibt es für Paris gegenwärtig kaum Prioritäten. Frankreich machte eine sogenannte Kehrtwendung zum „nützlichen Afrika". Mitterrand hat das kürzlich erst am Kap demonstriert.

Balladur fordert eine „lückenlose Solidarität" mit Afrika. Afrikaner sagen dazu: zuerst hat Frankreich uns kolonialisiert, dann postkolöniali-siert, schließlich hat man den Klientelismus und die Korruption in unseren Ländern unterstützt, dann hat man autoritären Begimen geholfen, die Frankreichs Interessen nützten. Und jetzt will man heuchlerisch den neuen politischen Kräften helfen.

Diese Heuchelei sieht so aus, daß Paris unter Druck des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank die Währung von 14 frankophonen afrikanischen Ländern abgewertet hat. Früher war ein französischer Franc 50 afrikanische Francs wert, seit heuer müssen 100 afrikanische Francs für einen französischen bezahlt werden. Diese Abwertung hat zwischen Frankreich und den afrikanischen Ländern ein Erdbeben ausgelöst.

In diplomatischen Termen bedeutet das, daß Frankreich vielleicht seinen Einfluß in Afrika verliert (in Buanda möchte es demonstrieren, daß dem nicht so ist) - und damit auch die Unterstützung afrikanischer Gerierungen im Bahmen der internationalen Zusammenarbeit und der wirtschaftlichen Beziehungen zu französischen Unternehmen.

Ob Afrika die Nabelschnur zu Frankreich durchtrennen wird, hängt von der Mobilisierung und von der Dynamisierung seiner regionalen wirtschaftlichen Organisationen ab. „Der Nebel geht nur langsam weg", meinte ein junger afrikanischer Präsident, „jetzt müssen wir für uns selbst kämpfen."

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