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Die irische Hauptstadt Dublin macht einen weltoffenen und modernen Eindruck. Wenn sich der Verkehr zur Stoßzeit zu stauen droht, wird der Privatverkehr automatisch von bestimmten Straßen abgelenkt, damit Busse und Taxis schneller vorankommen. Wenn man trotzdem im Stau steckt, kann man sich in den städtischen Bussen ins drahtlose Internet einloggen. Dublin ist bezüglich Lösungskompetenz ein Vorbild, was die World Alliance of Cities Against Poverty (WACAP) betrifft, ein Netzwerk von inzwischen über 900 Städten, die sich der Armutsbekämpfung verschrieben haben und dabei voneinander lernen wollen. Unterstützt und gefördert wird das Unterfangen vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP. Das Motto heuer: Smart, safe and sustainable, also intelligent, sicher und nachhaltig sollen die Städte werden.

Peter Finnegan, der in der Dubliner Stadtregierung für Wirtschaft und internationale Beziehungen zuständig ist und für die Organisation des Treffens verantwortlich war, hatte von Anfang an im Sinn, möglichst praktische Ergebnisse zu ermöglichen. Denn Wasserversorgung, Bildung, Verkehr aber auch politische Teilhabe der Bevölkerung sind Anforderungen, die überall zu lösen sind. Es gehe vor allem darum zu lernen, was anderswo besser gemacht wird: "Die schnelle Zunahme, welche die Technologie in unser aller Leben erfahren hat, muss sich auszahlen. Wir glauben, wenn ein Unternehmen ein Produkt in einer Stadt ausprobiert hat und damit Gewinne macht, dass es das gleiche auch in einem Entwicklungsland anbieten kann, ohne sich dort den großen Profit zu versprechen“.

Das Bündnis wurde nach der Weltbevölkerungskonferenz von Istanbul im Jahre 1996 gegründet. Von den über 900 Städten, die sich seither dem Netzwerk von Städten gegen die Armut angeschlossen haben, waren einige Dutzend in Dublin vertreten. Sie trafen sich mit Vertreterinnen und Vertretern von entwicklungspolitischen NGOs, aber auch Privatunternehmen und Forschungsinstituten. Wien und Klagenfurt, die dem Netzwerk angehören, waren nicht da. Oft liege es einfach daran, ein Problem rechtzeitig zu erkennen, sagt Sascha Haselmayer, der in Barcelona für die Agentur Citymart tätig ist: "Barcelona hat durch die Finanzkrise das Problem, dass immer mehr urbaner Verfall stattfindet“. Wenn nacheinander die Geschäfte zusperren, geht eine Straße zugrunde, "und man weiß dass man zehn Jahre Investitionen braucht, um sie wiederzubeleben“. Viel billiger sei es, rechtzeitig zu handeln.

Früherkennungssysteme

Deswegen habe Citymart für Barcelona ein Früherkennungssys-tem entwickelt, das helfe, gefährdete Strassenzüge zeitgerecht zu identifizieren. Citymart betreut 82 Städte und ist mit 1200 Unternehmen vernetzt, die jeweils maßgeschneiderte Lösungen anbieten.

Manche der auf dem Forum vorgestellten Lösungen kommen aus dem Bereich der Hightech, wie ein Behälter, der ohne Strom sechs Monate lang Impfstoffe kühlen kann. Mit Lösungen, die einfach und billig sind, hat sich der in Kopenhagen lebende Inder Vinay Venkatraman befasst. Sein Copenhagen Institute of Interaction Design hat beispielsweise Zwei-Dollar-Wecker zu Geräten umgebaut, mit denen man seine Blutwerte messen kann. Öffentliche Telefone, die in Indien in jedem kleinen Dorfladen stehen, aber dank Mobiltelephonie verschwinden werden, verwandelt man in Abstimmungsmaschinen, mit denen die Lokalverwaltung kos-tengünstig die Stimmung zu kommunalen Vorhaben erheben kann.

Nicht immer sind Probleme durch Einsatz von Technik zu lösen. Manchmal bedarf es einfach der sozialen Organisation oder des organisierten Protests. Das betrifft die Prävention von Flutschäden durch Überflutungen in Ugandas Städten. Da hilft es schon, wenn die Slumbewohner die Wassergräben nicht mehr als Müllkippen missverstehen und sie vor der Regenzeit reinigen. Frauen in Großstädten vor Aggressionen im öffentlichen Raum zu schützen, ist das Hauptanliegen des 2010 von der UN-Frauenorganisation gegründeten Programms "sichere Städte für Frauen“. "Keine Stadt kann als sicher, Intelligent und nachhaltig betrachtet werden, solange nicht alle ihre Einwohner den öffentlichen Raum ohne Angst nutzen können. Sei es auf dem Schulweg, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, bei Stadtteilversammlungen oder in der Wahlzelle“, sagt die ehemalige Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet, die jetzt der UN-Frauenorganisation vorsteht. Das Programm begann mit fünf Pilotstädten. Eine davon ist Quito, Ecuador.

Cecilia Tamayo, die den Stadtrat von Quito vertrat, konnte von erfolgreichen Projekten berichten. Eines davon nennt sich Cartas de Mujeres - Briefe von Frauen. Frauen wurden aufgefordert, über ihre Erfahrungen zu berichten. 400 Briefkästen wurden eigens dafür auf Märkten, in Schulen, öffentlichen Gebäuden und in Parks angebracht. In drei Monaten trafen mehr als 10.000 Briefe ein, deren Inhalt so überzeugend war, dass die Stadtverwaltung die Gemeindeordnung reformierte und sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum als Straftatbestand einführte. Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit auf eine mittelalterlich anmutende Praxis aufmerksam: Frauen mit lesbischen Neigungen wurden zwecks "Enthomosexualisierung“ in Spitälern "korrigierender“ Vergewaltigung unterzogen. Der offensichtlich schockierte Bürgermeister versprach, diese "Therapien“ abzustellen.

Zukunftsfragen der Menschheit

Was in Dublin vorgestellt und diskutiert wurde, waren nicht nur Probleme und mögliche Lösungen für einige Metropolen. Es sind die Zukunftsfragen der Menschheit. Seit einigen Jahren leben mehr Menschen weltweit in Städten als im ländlichen Raum. Städte produzieren die Hälfte des anfallenden Abfalls, zwischen 70 und 80 Prozent der Treibhausgase und konsumieren drei Viertel aller mineralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffe. Und sie wachsen weiter an, vor allem im globalen Süden. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat daher sicher recht, wenn er sagt: "Der Kampf um die Erhaltung der Welt wird in den Städten gewonnen - oder verloren“.

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