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Digital In Arbeit

Die CSSR sucht neue Strukturen

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Frage: Was hat die tschechoslowakische KP dazu bewogen, ein neues — also das von Ihnen entworfene -— Wirtschaftsmodell anzunehmen?

Prof. Sik: Die Wirtschaft in der CSSR wurde bisher zu 80 Prozent zentral geplant. Man rechnete sich auf Grund der durchschnittlichen Prodiuktionsziffem der vergangenen Jahre nach einem einfachen Schlüssel aus, um wieviel Prozent die

Wachstumsrate zu steigen habe und schrieb den Betrieben ein entsprechendes Plansoll vor. Es kam dabei hauptsächlich darauf an, die Menge der zu produzierenden Artikel zu steigern, nicht aber notwendigerweise auch deren Qualität.

Mit dieser Methode konnten in den ersten Jahren nach 1948 tatsächlich Erfolge erzielt werden, denn die im Krieg zerschlagene Wirtschaft hatte ja auch quantitativ viel nachzuholen. Man beging damals den Fehler, zu sagen: Die Produktion steigt, also ist das System gut. Zwischen 1949 und

1953 wurden Wachstumsraten von 5,9 Prozent erzielt, in den Jahren

1954 bis 1958 sank die Rate auf

3,4 Prozent, später — von 1959 bis 1964 — sogar auf 1,8 Prozent. Wir bemerkten die Warnzeichen schon 1957, aber die erste Analyse und die daraus gezogenen Konsequenzen waren zu oberflächlich; die alten Formen wurden beibehalten.

Frage: Wie war es um die Produktivität bestellt?

Prof. Sik: In den Anfangsjahren erreichten wir ein Wachstum der ‘Produktivität, ih den Betrieben wurden die technischen Möglichkeiten besser ausgenützt, es wurde besser organisiert und die Intensität der Arbeit war zur Zeit der Revolutionsbegeisterung verständlicherweise größer. Dann aber wurden Fehler gemacht. Man investierte zu wenig, arbeitete weiter auf alten Maschinen und mit alten, unrationellen Methoden. Die Produktivität ging zurück und wir versuchten daher, durch den Neubau von Fabriken wieder vorwärts zu kommen. Aber gerade das war vielfach eine Fehlspekulation, denn freie Arbeits kräfte waren fast ausschließlich aus der Landwirtschaft zu haben. Wir waren also gerade in den neuen Betrieben gezwungen, mit ungeschulten Kräften zu arbeiten, so daß es dort um die Produktivität oft noch schlechter bestellt war als in Eilten Fabriken. Der dritte Fünfjahresplan — 1960 bis 1965 — stellte den Betrieben große Wachstumsaufgaben, berücksichtigte aber den Arbeitskräftemangel nicht. Die Planungsdirektiven blieben also wieder ohne realen Hintergrund. Lassen Sie mich das mit einigen Zahlen verdeutlichen. Um das Nationaleinkommen um eine Krone zu erhöhen, mußten wir 1953 noch 1,33 Kronen investieren. 1958 waren es bereits etwas mehr als zwei Kronen, 1961 schon 3,14 Kronen, 1962 sogar 13,90 Kronen und 1963 18,2 Kronen. Der Umfang des Gesellschaftsproduktes stieg langsamer als die Reproduktionskosten, also Investitionen, Löhne, Rohmaterial •— alles das, was die Gesellschaft zurückgeben muß, um die Produktion auszuweiten. Der „Reingewinn“ des Staates sank, statt wie sonst überall zu steigen. Es bleibt dann kein Geld mehr für den Straßenbau, kulturelle Anliegen usw. übrig.

Frage: Aus Ihren eben genannten Ziffern geht hervor, daß sich die ersten großen Krisenerscheinungen in den Jahren 1962 und 1963 bemerkbar gemacht haben. Wie reagierten die Wirtschaftsverantwortlichen auf diese offensichtlichen Fehlschläge der Planung?

Prof. Sik: Die Stagnation kam für uns völlig unerwartet. Zunächst wurden Kommissionen gebildet, die tiefergefaenide Analysen anzustellen hatten und denen dann die Aufgabe gestellt wurde, Vorschläge für technologische, technische und organisatorische Verbesserungen zu einer positiven Wachstumsentwicklung zu erarbeiten. Die Analyse ergab, daß der Hemmschuh für die Entwicklung in der zentralistischen Planung lag.

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