Es fehlen Entscheidungen und Geld

Werbung
Werbung
Werbung

Wir ersparen uns Rechthaberei. Wir versagen uns den Triumphalismus sowieso und die Häme als niedrigste aller Siegerposen erst recht. Wir stellen trocken fest: Die Politik der Verweigerung von Realitäten und des Vermeidens von Entscheidungen schlittert ihrem unweigerlichen Ende entgegen. Die Versäumnisse der Vergangenheit holen die Nachfolger der Verantwortlichen ein. Noch schlummern einige dem sprichwörtlich bösen Erwachen entgegen, aber mit jedem Beitrag zu den aktuellen Themen der Innenpolitik naht das Ende der wohligen Träume, es müsste sich nichts ändern. Das Gegenteil trifft zu: Einiges hat sich zu ändern, wie die Beispiele zeigen. Worum geht’s?

Von einem Debakel zum nächsten

Die kompliziert strukturierte Finanzierung des Zivildienstes und die mäßige Abgeltung der Zivildiener entblößen Komplexität und Ausbeutung. Doch sowohl Feuerwehren als auch Senioren haben es entrüstet zurückgewiesen, einige der Tätigkeiten der mit dem Wehrdienst dann beseitigten Zivildiener zu übernehmen. Deren Koordinator meint zudem, die von der Regierung für soziale Dienste angenommenen Beträge seien zu niedrig angesetzt, um diese zu gewährleisten. Doch über die Finanzierung ist ohnedies noch nicht zu entscheiden, denn ein verpflichtendes Sozialjahr liegt als Vorschlag nicht vor, weil es Juristen in einer ersten Expertise als verfassungswidrig einstuften. Ein Dilemma: Wo Lösungen vermutet, tun sich neue Probleme auf.

Damit stellt sich neuerlich die Frage, wer künftig Hilfs- und Pflegeleistungen aller Art übernehmen wird, für die es weder ausreichend Personal noch finanzielle Vorsorge gibt. Diese fehlen, weil sich die Politik einer Entscheidung über Pflegeversicherung und Pflegefonds verweigert. Das hat auch damit zu tun, dass sich Bund und Länder die Zuständigkeit zuschieben: Die Länder wollen vom Bund Gelder erhalten, die sie nach eigenem Gutdünken disponieren. Eine offene Sachfrage, die nicht entschieden wird, weil jeglicher Ansatz zu einer Reform - sprich Bereinigung von Zuständigkeiten - des Staatswesens in den Interessengegensätzen der Beteiligten stecken bleibt.

Gleiches gilt für die Neue Mittelschule, der Mittel und Lehrer auszugehen drohen. Auch hier haben wir es mit einer Blockade zu tun, die aus dem Aufeinandertreffen widerstreitender Interessen resultiert: Bund gegen Länder, Verwaltung gegen Personalvertretung.

Österreichs vielschichtige Interessenstruktur fand ihren Niederschlag in einer Realverfassung, die ins Kraut schießen konnte, weil die geschriebene unklar blieb. An ihr ist kaum ein Satz änderbar. Denn jegliche Beteiligte - von den Gebietskörperschaften über die Parteien bis zu den Interessenvertretungen - betreiben ständestaatliche Klientelpolitik.

Bereinigung der Kompetenzen

Daher wollen alle - gemeint sind die Funktionäre in Bund, Ländern und Interessenvertretungen - bei ihren Zuständigkeiten bleiben. Sie pochen auf ihre Kompetenzen und Mittel. Sie haben in den wenigsten Fällen den größten gemeinsamen Nutzen im Sinne. Das wäre auch nicht ihre Aufgabe. Sie betreiben vielmehr eine Allokation an Mitteln zum Zwecke des Stimmenkaufes. Das wird von kaum jemand, der sich in den letzten 20 Jahren mit der Staats- und der Verwaltungsreform zu befassen hatte, bestritten.

Wo bleibt der Blick für das Ganze? Wer hat das gesamte Staatswesen im Auge? Dem Staatsbürger geht es um Hilfe in Angelegenheiten, zu deren Besorgung er alleine nicht imstande ist. Die Bürger zahlen es ohnedies - und wollen sich nicht im Einzelverfahren bei Gemeinden, Bezirken, Ländern und Bundesministern für Wohltaten, Subvention und Pflegeplatz zu bedanken haben. Eine Bereinigung der Zuständigkeiten im Staatswesen ist überfällig. Es fehlt schlicht an Geld, um den Mangel an Entscheidungen und Lösungen weiterhin zu kaschieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung