Von Arbeit und Ernte

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Der steirische Herbst spielt heuer in ganz Österreich. Auf mittlere Sicht muss sich Wolfgang Schüssel dennoch keine allzugroßen Sorgen machen. v

Unter dem Motto "Arbeit für Österreich" stand die Regierungsklausur am Dienstag und Mittwoch dieser Woche. Das ist fein doppelsinnig, suggeriert es doch zum einen, dass die Regierung für das Land arbeitet - was man freilich für eine Selbstverständlichkeit halten möchte -, zum anderen aber, dass man sich mit ganzer Kraft dem Problem der Arbeitslosigkeit widmen möchte. Was auch immer am Ende der zwei Tage herausgekommen sein wird, eines ist deutlich: Nach der "Zeit der Ernte" im Vorjahr soll heuer wieder gesät werden; verständlich - im Wahljahr 2006 möchte man ja wiederum reichlich ernten.

Nun ist die derzeitige innenpolitische Diskussion - und damit auch die Klausur - ziemlich überlagert von dem, was der Bundeskanzler selbst gerne abschätzig "Mickey-Mouse-Themen" nennt: vom Tauziehen um eine "Steuerreform" bzw. die Existenz einer einschlägigen Kommission bis hin zum aufgeregten Gegacker um den Benzinpreis, bei dem sich glühende Marktliberale plötzlich als lupenreine Staatsinterventionisten erweisen (siehe dazu auch den Kommentar auf Seite 8). Dazu kommen noch die wenig erfreulichen Perspektiven für die vp (für das bzö sowieso) hinsichtlich der bevorstehenden drei Landtagswahlen.

In Wien und im Burgenland geht es ohnedies nur um Achtungserfolge, also bleibt die Steiermark: Möglich ist ja noch immer, dass die steirische vp das landespolitische Götterdämmerungs-Szenario als stärkste Partei überlebt; dass Waltraud Klasnic dank Gerhard Hirschmanns peinlich-tragischer Performance und vor allem dank Franz "Ich zeig' Dir mein Büro" Voves (eine Art steirischer Alfred Gusenbauer) das Kernland "halten" kann. Wenn nicht, dann ist freilich auch niemand in Sicht, von dem sich sagen ließe: "Mit ihm/ihr kann die Steiermark gehalten werden" - wie weiland Josef Krainer sen. über Friedrich Niederl auf einem Zettel als Vermächtnis notiert hatte.

Wenn nicht, dann könnte es auch für Wolfgang Schüssel ungemütlich werden, zumal er in Klasnic eine seiner loyalsten Mitstreiterinnen und Mitstreiter in den Ländern verlöre. Dann würde wohl da und dort sich Unmut regen, so manche nur hinter vorgehaltener Hand geübte Kritik am Parteichef deutlicher artikuliert werden. Die strategisch gewiss nicht klugen, sachlich aber zum Teil berechtigten Äußerungen von Erhard Busek und Heinrich Neisser haben gezeigt, dass Streitpotenzial da ist, haben erahnen lassen, dass sich die övp bei Gelegenheit nach wie vor auf die Kunst der Obmanndiskussion verstünde. Die wenig souveräne Reaktion darauf - der lächerliche Alpbach-Boykott der meisten Regierungsmitglieder (als wäre das Europäische Forum eine private Busek-Party) - ließ die Vermutung zu, dass da ein Nerv getroffen wurde und es unter der Oberfläche gespielter Gelassenheit doch einigermaßen gärt.

Schüssel und sein Team können vor diesem Hintergrund wenig anderes tun, als weiterhin den Eindruck unverdrossener, unbeirrbarer Reformarbeit - Stichwort "Arbeit für Österreich" - zu erwecken suchen. Im übrigen aber sind wir bereits in die Zielgerade vor den nächsten Nationalratswahlen eingebogen. Die Vorbereitung und Durchführung der eu-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 - in einer außerordentlich schwierigen Phase der Union - erfordern ganze Kraft und Konzentration. Man darf annehmen, dass Schüssel, Plassnik & Co. hier grosso modo gute Figur machen werden - aber daneben wird nicht viel sein. Und danach beginnt der heiße Wahlkampf.

Nimmt man die kürzlich abgeschlossene Reihe der orf-Sommergespräche als Maßstab für die Aufstellung der Spitzenkandidaten, muss sich - aus heutiger Sicht - Wolfgang Schüssel keine allzu großen Sorgen machen: ein seltsam abgeklärter Jörg Haider (ja, der ist bzö-Chef); ein Hans-Christian Strache, der sich bereits bei den von ihm zum "Duell" mit Häupl hochstilisierten Wiener Wahlen blamieren wird; ein Alexander Van der Bellen, bei dem noch nie so deutlich wurde, dass seine Stärken auch seine ganz großen politischen Schwächen sind ("ja schon, aber auch nicht"); und ein Alfred Gusenbauer, bei dem das "Ich will regieren" noch immer eingelernt klingt. Der Kanzler konnte sich relativ ruhig ins Studio setzen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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