Alle Macht dem Bischof?

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Angesichts der anstehenden Bischofsernennungen in Salzburg und Graz spielen die Limburger Entwicklungen auch nach Österreich: Eine "apostolische Entflechtung“ des Bischofsamtes tut not.

In Österreich stehen wichtige Bischofsbesetzungen an. Hoch angesehene Bischöfe werden in absehbarer Zeit aus dem Amt scheiden. Die Bestellung ihrer Nachfolger steht unter Vorzeichen, die vor einem Jahr noch ganz anders aussahen. Mit dem neuen Papst macht sein Wort vom "Stallgeruch der Hirten“ die Runde. Und die Art und Weise, wie Franziskus vom Volk Gottes spricht, weckt Hoffnungen auf römischen Einfallsreichtum bei der Beteiligung der Ortskirchen, wenn es um die Auswahl neuer Bischöfe geht.

Sie vollzieht sich unter öffentlichen Vorzeichen, die jede Bischofsbestimmung unter Druck setzt. Das hat entscheidend mit den bekannten Limburger Entwicklungen zu tun. Inzwischen hat der Papst hier eingegriffen. Indem er dem Limburger Bischof eine Auszeit verordnete, nahm er die Prüfungskommission der Deutschen Bischofskonferenz ernst und Tempo aus einem aufgeheizten Verfahren. Gleichzeitig setzte er mit Wolfgang Rösch einen integren, in der Diözese Limburg respektierten Priester als Generalvikar ein. Er war Franz-Peter Tebartz-van Elsts Wahl. Der Papst bestätigte also das Recht des Bischofs, indem er es in die eigenen Hände nahm. Das geschah auf der Ebene, auf der sich die katholische Kirche mit Vorliebe bewegt - auf einer personalen Ebene. Dafür gibt es gute theologische Gründe. Eher ausgeblendet bleiben die systemische Zusammenhänge, zumal die Bedingungen, unter denen man Bischof wird.

Gewaltenteilung und Transparenz fehlen

Wer nur nach einer personalen Lösung für Limburg sucht, belässt es beim Rahmen, in dem Tebartz-van Elst agieren konnte und denen er auch in einem sehr präzisen Sinn zum Opfer fiel. Dieses System spricht dem Bischof einer Ortskirche eine Macht zu, die kaum kontrolliert ist und wenig relativiert wird. Das schließt Entscheidungsmöglichkeiten ein und zieht Handlungsnotwendigkeiten nach sich. Das erlaubt Gestaltung und bedeutet eine latente Überforderung. Tebartz hat die Bedingungen akzeptiert, unter denen er als Bischof sein Amt antrat. Aber war er für die Anforderungen, die eine bischöfliche Amtsführung stellt, ausgebildet? In den Bereichen Personenführung, Finanzmanagement und Betriebskommunikation offensichtlich nicht. Das weist über persönliche Schwächen auf einen Systemfehler hin - nicht zuletzt auf eine unzureichende Differenzierung der Aufgabensphären.

Dem entsprechen die fehlende Gewaltenteilung und Transparenz bei der Kandidatenkür. Der Papst entscheidet nach dem Kirchenrecht allein über die Bestellung der Bischöfe. Das Stillschweigen über die Gründe seiner Wahl bewegt sich in der Aura kirchlicher Geheimpolitik. Sie kommuniziert Unabhängigkeit. Die aber wird mehr und mehr zur Schimäre. Immer deutlicher greift die nicht-kirchliche Öffentlichkeit in kirchliche Entscheidungsprozesse ein.

Nachvollziehbare Prozesse einer Bestellung katholischer Bischöfe würden nicht zuletzt diese selbst entlasten. Der Fall Limburg steht für eine kirchliche Kultur der Verschwiegenheit. Sie bestimmt die Kommunikation in Sachen Finanzen wie Personen. Das ist nicht mit Diskretion zu verwechseln und hat eine prekäre Schlagseite. Das Amt des Bischofs wird theologisch als Dienst reklamiert, aber kirchlich als Aufstieg codiert. Der theologisch berechtigte Hinweis von Papst Franziskus, wer nach dem Amt des Bischofs strebe, könne keiner werden, hält klerikale Karrieresehnsüchte unter Verschluss. Verbotene Wünsche sind Machtfaktoren. Wo man sie verschweigen muss, drängen sie im Geheimen nach oben: in Machtzirkeln, die sich öffentlicher Kontrolle entziehen. Solange die römische Kirchenleitung zudem ihre kurialen Mitarbeiter und Diplomaten zu Bischöfen weiht, obwohl sie keine Ortskirche leiten, unterläuft sie die eigene Theologie des Amtes. Dass der Kämmerer des Papstes Erzbischof sein muss, ist im politischen Behördenverkehr nachvollziehbar, aber theologisch alles Andere als zwingend. Diakonale Aufgabe und Amtsprestige, theologische Idee und reale Macht vermischen sich.

Limburg offenbart den kirchlichen Ernstfall

Im Limburger Fall wird dies an den Schnittstellen innerkirchlicher Kommunikation und diözesaner Finanzkontrolle sichtbar. Die Idee der bischöflichen Vollmacht, die sich von Jesus Christus herleitet, weil der Bischof ihn in Person vertritt, droht sich zu verselbständigen, wenn der Bischof die eigenen Interessen mit jenen verwechselt, für die er einzustehen hat. Dabei kommt Tebartz-van Elst ein strukturelles Problem in die Quere. Er muss für einen Bereich Verantwortung übernehmen, für den er nicht ausgebildet wurde: die Finanzen. Die Idee bischöflicher Vollmacht überfordert den ökonomischen Laien, der zugleich darum weiß, dass über die Macht in einer Institution wesentlich der verfügt, der über das Geld gebietet.

Der Fall des Limburger Bischofs offenbart den kirchlichen Ernstfall. Wenn die Kirche die Personen auswechselt, aber die Strukturen belässt, folgt sie der personalen Interpretationslinie des Amtes, übernimmt aber einen Rahmen, der problematisch bleibt. Man lässt auch in Zukunft das Geld beim (nächsten) Bischof. Er behält das Sagen. Damit aber bedient die Kirche eine Logik, die beides ist: ineffizient, weil sie sich den Differenzierungsleistungen moderner Systeme verweigert, und theologisch anfechtbar, weil sie die Autorität des Bischofsamtes mit einem Geldkalkül verbindet. Eine apostolische Entflechtung tut not. Eine Revision bei der Wahl der Bischöfe steht deshalb ebenso an wie eine neue Koordination ihrer Vollmachten.

Indem sich der Papst für Wolfgang Rösch als Generalvikar entscheidet, bewegt er sich auf der Ebene personaler Lösungen, die es auch braucht. Aber er überschreitet den Mechanismus zugleich, indem er das Verfahren an sich zieht und einen Ausnahmefall setzt: Ein Papst nimmt bischöfliches Recht wahr. Das entspricht sicher nicht der Regel, auf die Franziskus setzt: den Ortskirchen mehr Raum zu geben. Verfolgt er sie konsequent, wird er an strukturellen Entscheidungen nicht vorbei kommen.

Die Art und Weise, wie er das Evangelium auslegt, könnte die Richtung bestimmen - auch für die nächsten Bischofsernennungen in Österreich.

Der Autor ist Professor für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg

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