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Die Zukunft hat schon begonnen
„DAS SCHWÄRZE EXPERIMENT.“ Von Adrian Hastings. Kirche und Mission im modernen Afrika. Ins Deutsche übertragen von Dr. Marga-reth Kees. Verlag Styria Graz-Wien-Köln. 348 Seiten. S 168.—.
Ihre Sünden bedenkend, sah die Christenheit vor der ersten Jahrtausendwende das magische Datum mit Furcht und Zittern nahen. Der Komet konnte kommen, Zusammenstoß und Untergang, ein Endzeitfeuerwerk mit allen nur erdenklichen Schrecken war möglich, die Zukunft ungewiß. Heute ist sie berechenbar geworden, und unser Glaube an die Bedeutung dekadischer Großzäsuren ist geschwunden. Dennoch haben wir wieder guten Grund, auch dem zweiten Jahrtausendwechsel mit Angst und Sorge entgegenzublicken. Ist doch etwas unberechenbar geblieben: Wir selbst! Mit Recht graut es uns deshalb vor der Zukunft.
Adrian Hastings liefert in diesem Werk über die christliche, insbesondere die katholische Situation in Afrika — um im Gleichnis zu blieben — die Daten des Kometen, der bereits seit geraumer Zeit am Himmel der schwarzen Christenheit heraufzieht und sie mit Untergang be-
droht. Doch gilt es längst nicht mehr, dem Kometen auszuweichen, dessen Weg computererforscht und somit bekannt ist. Der Zusammenstoß ist schon da, er war gar nicht zu vermeiden. Es gilt nur noch, dessen Wirkung abzuschwächen, einer Katastrophe vorzubeugen. Hastings gibt auch gleich die erforderlichen Mittel an. So ist sein Buch an die Adresse verantwortlicher Stellen gerichtet, die er auffordert, diese Mittel anzuwenden, zu handeln, ehe es zu spät ist. Und es ist bereits fünf vor zwölf.
Welches sind die Ursachen jener „beispiellosen Krise“, von der der Autor spricht? Es sind dieselben, die überall heute in der Welt Krisen erzeugen: Neben der Bevölkerungsexplosion finden in Afrika gegenwärtig auch drei Revolutionen statt: eine soziale, eine politische und eine kirchliche. Letztere als Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Unter dem gemeinsamen Ansturm dieser vier Orkane zeigt das Gebäude der Kirche bereits Wirkung, mögen deren äußere Zeichen dem oberflächlichen Betrachter auch nicht immer alarmierend erscheinen. So läßt die Tatsache, daß die Zahl der afrikanischen Christen, vor allem der Katholiken, mit etwa der dreifachen Geschwindigkeit von jener der Bevölkerung anwächst — die 28 Millionen Katholiken von heute werden sich bis zum Jahre 2000 vervierfacht haben —, scheinbar nichts von jenem Zusammenbruch ahnen, der angeblich droht. Und doch birgt gerade sie in sich die Gefahr der Auflösung. Denn die schon in den Stammländern der Kirche grassierende Krankheit des akuten Priestermangels, die am schwarzen Erdteil naturgemäß noch weit stärker in Erscheinung tritt, sie wird, soferne man kein Heilmittel findet, dort galoppierende Form annehmen. Unter günstigsten Annahmen wird die dann zu erwartende Verdünnung in der Relation von Priestern zu Gläubigen die dreifache der heutigen betragen. Dies aber würde nicht nur völliges Aufgeben jeder weiteren Missionierung, sondern bereits auch Auflösung der vorhandenen Kirche selbst, eben den Zusammenbruch, bedeuten, weil der überladene Wagen durch sein eigenes Gewicht zum Stillstand käme. Hastings ist sich bewußt, daß nur die volle Wahrheit über die Verhältnisse die Möglichkeit der Rettung in sich birgt. Er hat die Lage an Ort und Stelle kennengelernt und schildert sie daher als Praktiker und nicht nur theoretisch. Unerbittlich zeigt er die Fehler auf, die gemacht wurden, vermeidbare und unvermeidbare, und bietet sogleich auch Mittel an, sie auszumerzen. Es ist nicht wenig, was angeprangert werden muß: Die mangelnde Zusammenarbeit von Theologie und Evangelisation, die immer noch bestehende Zweiteilung in christliche Länder und Missionsländer, die zu geringe ethnologische Ausbildung der jungen Missionare, die zu geringe Zahl afrikanischer Priester, die für die dortigen Verhältnisse ungeeignete, ja schädliche, gisierung und überhaupt die feh-aber heute so moderne Entmytholo-lende Anpassung der Kirche an die Welt dieses Kontinents sowie an den Wandel, in dem sie sich heute befindet.
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