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Nach dem Konzil

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Das Vatikanische Konzil war ein spektakuläres Ereignis von außerordentlicher publizistischer Wirksamkeit; seine Ausstrahlung drang weit über die Grenzen der Kirche, ja der Christenheit hinaus, seine innerlichen Konsequenzen sind noch nicht abzusehen. In manchen Bezirken des kirchlichen Lebens, in dem Kräfte auf gestaut und behindert waren, kam es einem Dammbruch gleich. An Warnungen vor einer Hemmungslosigkeit von selten kirchlicher Autoritäten und konservativer Kreise, die sich langsam des ganzen Ausmaßes der Umordnung bewußt werden, fehlt es nicht. Tendenzen treten auf, die Ergebnisse zu restringieren, ihre volle Auswirkung zu verhindern, ja abwegig zu interpretieren; in manchen Ländern, vor allem aber in Frankreich, kam es sogar zu lauten Protesten und zur praktischen Dissidenz ultrakonservativer Kreise. Daraus ergibt sich die erste Aufgabe postkonziliarer Arbeit: Die Verhinderung einer Uminterpretation der Kirchenversammlung, die Lähmung ihrer Durchführung einerseits, die Isolierung oder gar Abstoßung schwerer beweglicher Kreise anderseits zu verhindern. Die Einheit der Kirche muß nicht nur äußerlich gewahrt bleiben, sondern auch innerlich durch gegenseitiges Verständnis der fortschrittlichen und der retardierenden Gruppen ermöglicht werden; weder die einen noch die anderen sind Ketzer oder

in Gefahr, es zu werden. Die fälligen Auseinandersetzungen dürfen keinen floskelhaften Charakter annehmen, Schlachtparolen sind ungeeignet, Mißverständnisse zu heben und sachliches Verständnis der unleugbaren Probleme zu fördern. Die kirchliche Führung selbst muß den Geist des Konzils bewahren, zu seinen Resultaten stehen, es nicht als abgeschlossenes Ereignis, sondern als Basis der Weiterarbeit betrachten und Durchführung und Anwendung der Kirchenversammlung auf die konkreten, lokalen Verhältnisse mit der Fortführung seiner Anliegen verbinden.

Das Konzil war das Resultat großer theologischer Anstrengungen, die Ernte einer jahrzehntelangen Arbeit. Die Hintergrundrolle der Theologen war beachtlich und offenkundig; das Konzil erwies, daß das Lehramt nicht entscheiden kann, wenn die theologische Vorbereitung und Klärung nicht weit genug gediehen ist. Der Theologe, Wissenschaftler und Charismatiker zugleich, ist keine Randfigur, keine Dekoration in der Kirche. Und Theologie kann nie mit endgültigen Resultaten aufwarten; sie verästelt sich nicht nur; sie überdenkt ihre Fundamente immer aufs neue und schafft sich mit jeder Lösung neue Probleme. Man wird Studienordnungen erfinden müssen, die es vielen begabten Theologen gestatten, schon zur Zeit der Ausbildung wissenschaftlich zu

arbeiten und akademische Grade zu erwerben; man wird, unbeschadet eines vorhandenen lokalen Priestermangels, ein Mehrfaches an Kräften für die Beschäftigung mit Theologie freistellen müssen.

Theologie wird jetzt nicht mehr im luftleeren Raum, ohne Bezug auf Wissenschaften, Philosophie und psychische Strukturen des Zeitalters betrieben werden können (wie das ja auch in den großen Zeiten der Theologie nie der Fall war). Nicht die Pastoraltheologie allein wird mit dem Zeitalter und seiner Menschheit zu rechnen haben, nicht der Zeitgeschichtler allein, nicht nur der Fundamentaltheologie, der den Glauben als vernünftig erweisen soll, sondern auch und gerade die zentrale Disziplin der Dogmatik wird sich mit den Fragestellungen der Menschen unserer Zeit und Gesellschaft zu befassen haben. Die Kirche als eine geschlossene Gesellschaft und verschlossene Welt aufrechtzuerhalten, ist mit den Methoden von gestern nicht unmöglich; ihrer Mission an die Welt, die im argen liegt, gerecht zu werden — dazu bedarf es neuartiger und größerer Anstrengungen des Geistes. Das Konzil hat die Fragen nach Öffnung der Kirche zur Welt und Zeit hin eindeutig und positiv beantwortet. Es gilt nun, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Unbewältigte Vergangenheit ist schlimm, unbewältigte Gegenwart schlimmer.

Man hat geschrieben, der Heilige Stuhl sei die größte Finanzmacht der Welt, er kontrolliere und beeinflusse mit seinem Eigentum, mit seinen Kapitalien, mit seinem Aktienbesitz den Finanz- und Wirtschaftsmarkt Italiens. Das Leben der Halbinsel sei von ihm gänzlich abhängig. Nichts ist aber kindischer und falscher als eine solche Behauptung! Was der Heilige Stuhl besitzt, ist allen bekannt und kann von allen kontrolliert werden. Es genügt, das italienische Grundbuch nachzuschlagen, das Verzeichnis der Aktiengesellschaften und das Verzeichnis ihrer Aktien einzusehen, um zu erkennen, wie unbedeutend das Eigentum des Heiligen Stuhls an Liegenschaften und Mobilarvermögen in Italien ist. Übrigens sind die Aktien. in Italien nominativ, das heißt auf den Namen des Eigentümers eingetragen, damit es so unmöglich gemacht werde, den staatlichen Kontrollen zu entwischen.

Der Unterhalt der Zentralstellen, die Missionswerke, die karitativen Werke schließen auch große Verwaltungsansprüche in sich. Dafür verwendet der Heilige Stuhl sein Geld. Dafür bewahrt und verwaltet er sein Vermögen, und zwar begreiflicherweise so, wie es jeder kluge Familienvater macht, indem er es auf eine sichere Art anlegt, die den Fortbestand des Vermögens und Einkommens verbürgt, ohne Gefahr zu laufen, in spekulative Fehlinvestitionen hineinzugeraten, die einen unersetzlichen Schaden bringen könnten.

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