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Am 19. April verweigerten russische Zöllner dem polnischen Bischof Jerzy Mazur die Rückreise in seine ostsibirische Diözese. Der Skandal reiht sich in eine Serie von Schikanen gegen die katholische Kirche in Russland.

Der Moskauer Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz ist ein Meister der Gelassenheit. "Das legt sich", meinte er Mitte Februar, als die Orthodoxe Kirche voll Zorn darauf reagierte, dass der Vatikan am 11. Februar die bisherigen Apostolischen Administraturen in Russland zu richtigen Diözesen erhob und deren vier Vorsteher zu Diözesanbischöfen ernannte.

Spätestens seit April aber wurde selbst Kondrusiewicz unruhig: "Die Ereignisse der letzten Monate zeigen, dass eine organisierte Kampagne gegen Russlands katholische Kirche vor sich geht". Er musste zugeben, dass sich nichts beruhigt hatte. Eine Kettenreaktion von Feindseligkeiten, Schikanen, Protesten ist in Gang. Vorläufiger Höhepunkt: Jüngst entzogen russische Grenzbeamte dem polnischen Bischof mit Sitz in Irkutsk, Jerzy Mazur, auf dem Moskauer Flughafen das Visum und schickten ihn nach Warschau zurück. Mazur, seit 1998 Oberhaupt der weltweit größten katholischen Diözese, befinde sich auf einer Geheimdienstliste unerwünschter Personen, hieß es seitens des Grenzschutzes.

Russlands Sicherheit bedroht hat offenbar auch der italienische Priester Stefano Caprio, dem zwei Wochen zuvor das Visum weggenommen wurde. Was den beiden genau vorgeworfen wird, wurde nicht klar. Bischof Mazur, heißt es, habe das Außenministerium verärgert, weil aus einer offenbar diplomatischen Unachtsamkeit in seiner Titulierung die südlichen Kurileninseln unter der japanischen Bezeichnung "Karafuto" laufen. Die Sowjetunion und Russland verteidigen seit dem Zweiten Weltkrieg ihren Anspruch auf diese Inseln. Russland liegt daher mit Japan im Clinch - für einen Landesverweis des Bischofs kann dieser Lapsus aber nur als Vorwand dienen.

Freilich dementierte der Orthodoxe Patriarch Alexej II., etwas mit der Ausweisung der Priester zu tun zu haben. Aber kaum jemand zweifelt daran, dass hinter diesen Schritten die Kirche selbst steht. Seit dem Ende der Sowjetunion wirft sie Rom eine "aggressive Missionstätigkeit" auf dem - wie sie es nennt - orthodoxen Boden vor. Seit der Papst im Vorjahr die Ukraine besucht hat, ist man noch mehr verstimmt. Der 11. Februar brachte das Fass zum Überlaufen.

Ganze 600.000 von 144 Millionen russischer Bürger bekennen sich zum Katholizismus - de facto keine wirkliche Gefahr und laut Erzbischof Kondrusiewicz besteht auch keinerlei Absicht einer Abwerbung orthodoxer Gläubiger. Die Orthodoxie aber sieht in der nah verwandten katholischen Kirche einen konkurrierenden Eindringling, der womöglich einer modern-liberalen sowie pluralistischen Gesellschaft Vorschub leistet. Nun will sie wissen, wer auf russischem Boden das Sagen hat - in religiös christlichen Belangen und damit andererseits auch hinsichtlich des Einflusses auf den Staat. "

"Ich bin mir sicher, dass hinter den beiden zynischen und offenen Kampagnen die Leitung der russischen Orthodoxen Kirche steht", sagte der Direktor des Moskauer Institutes für Religion und Justiz gegenüber der Moscow Times. "Es ist kein Geheimnis, dass mindestens die Hälfte der russisch-orthodoxen Hierarchie entweder ehemalige oder jetzige KGB- bzw. FSB-Agenten sind, mit großem Einfluss auf russische Machtstrukturen."

Wohlwollen Putins

Dass staatliche Organe Wünsche des Moskauer Patriarchats erfüllen, verwundert nicht. Die beiden stehen sich nahe,. "Unter Putins Präsidentschaft entwickeln sich die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in günstig-wohlwollender Richtung", hielt Patriarch Alexej II. gegenüber der Zeitung Gazeta fest. Das bekommen denn auch die anderen Religionen im Land zu spüren. Denn obwohl die Verfassung Gleichheit aller religiösen Vereinigungen vor dem Gesetz vorschreibt, wissen alle ein Lied davon zu singen, wie sehr die Orthodoxe Kirche bevorzugt wird.

Diese soll vor "Aggressoren" geschützt werden. Kremlnahe und nationale Politiker organisierten gar eine Demonstration gegen die "katholische Expansion", für die auch Bischof Mazur verantwortlich gemacht wird. Der Duma-Abgeordnete Gennadij Raikov stellte dies in einen größeren Zusammenhang: "Die ganze Ereigniskette begann damit, dass die USA Basen in Zentralasien und jetzt in Georgien aufbauen", legte er unbeabsichtigt die Befindlichkeit der russischen Psyche offen: das Gefühl, schwach und von allen Seiten bedroht zu sein. Mangelndes Eingeständnis verhindert die Behebung eigener Defizite, umso mehr schweißt der Schutz des Ererbten zusammen und wird zur Losung. Die russische Kirche verhält sich hier nicht anders als die Militärs und ein beträchtlicher Teil des politischen Establishments.

Die katholische Bischofskonferenz in Russland hat das Vorgehen gegen Bischof Mazur scharf verurteilt und die staatlichen Institutionen sowie Präsident Putin aufgefordert, Russland möge seinen Verpflichtungen nachkommen und Religionsfreiheit sowie Nichtdiskriminierung religiöser Minderheiten garantieren.

"Unveränderlich liefern Sie ein Beispiel eines standhaften Schutzes der Interessen der Orthodoxie", würdigte der orthodoxe Putin Patriarch Alexej II. zu dessen Namenstag Ende Februar. Das staatliche Schweigen zum Vorfall rund um Mazur lässt diese Grußworte einer für den westorientierten Präsidenten nicht vorteilhaften Interpretation offen.

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