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Die Zeit arbeitet für uns
Nun haben wir aber einigen, und nicht etwa einen leisen, Grund, zu vermuten, daß die offenbar auf einen Wink aus Moskau entfesselte Kampagne in Polen, Ungarn und in der CSSR einen konkreten Zweck verfolgt, der sich auf einen dritten Sektor bezieht; auf einen, wo ein gewisses Zusammenwirken von Rom und Moskau ebenso denkbar wäre wie zwischen der Kirche und anderen nichtchristlichen Staaten: auf den des Friedens, der Abwendung einer Atomkatastrophe. Allerdings hat man im Kreml dabei nicht das gleiche Endziel mit dem Vatikan. Die sowjetische Friedenspropaganda bezweckt zunächst Symbiose mit den nichtkommunistischen Ländern, weil Chruschtschow und die Seinen daran glauben, daß die Zeit für sie arbeitet, daß sie also ohne schwere eigene Opfer den Westen aufspalten und zuletzt unblutig siegen werden. Die Kirche sucht den Frieden um seiner selbst willen. Sie kann, um ihn zu retten oder auch nur um ihn wesentlich zu verlängern, auf umgrenztem Gebiet mit der UdSSR und anderen kommunistischen Staaten zusammenwirken.
Unter diesen Gesichtspunkten soll man die Verhandlungen beurteilen, die von Msgr. Jan Willebrands, dem Chef des „Sekretariats für die Union der Christen“ und wichtigsten Mitarbeiter des an der Spitze dieser vorbereitenden Konzilkommission stehenden Kardinal Bea, geführt und in den Tagen vom 27. September bis 2. Oktober dieses Jahres zu Zagorsk bei Moskau abgeschlossen worden sind. Wir glauben zu wissen, daß dabei nicht nur den leitenden Mitgliedern des Heiligen Synods der russischen Kirche Mitteilungen gemacht wurden, die das Mißtrauen gegenüber dem und die Bedenken gegen das Entsenden von Beobachtern zum Schweigen brachten. Das allein hätte nicht genügt, um eine derartige Bereitschaft in die Tat umzusetzen ... Es war vielmehr unerläßlich, die Zustimmung der Sowjetregierung zu einer derartigen Geste zu erreichen. Wir vermuten sogar, daß dieses Ja entscheidend auf den positiven Beschluß der Moskauer Synodmitglieder einwirkte und daß es ihm vorgängig war. Dabei wird man aber, das anzunehmen gebietet uns die Kenntnis der Sachlage, im Kreml darüber beruhigt worden sein, daß vom Konzil — das sich eben von der Politik fernhält — kein formeller Angriff gegen die Sowjetunion als Staat oder gegen deren Staatsform geschehen wird.
Sie haben auf einen Wink aus Moskau den katholischen Bischöfen die Teilnahme am Vatikanum II gestattet. Je nachdem in erheblichem Umfang, wie in Polen, woher schließlich 17 Oberhirten den Weg nach Rom einschlugen, oder mit Einschränkungen, die vornehmlich auf die Internierung mancher Kirchenfürsten zurückgehen, auch auf Vakanzen, die, durch den Tod vieler Bischöfe verursacht, noch nicht beseitigt worden sind. Ungarn, die Tschechoslowakei, die DDR — diese mit der Vollzahl der physisch zur Reise fähigen Hierarchen —, Bulgarien und, wie man schließlich erfuhr, die Sowjetunion — in der Person eines litauischen Oberhirten — werden auf dem Konzil anwesend sein. Vielleicht noch wichtiger als das ist die im letzten Moment angekündigte und sofort darauf verwirklichte Teilnahme zweier Beobachter von seifen des Moskauer Patriarchats. Nach diesem Schritt der russischen Kirche sind ähnliche Entscheide anderer Ostkirchen, nicht nur aus den kommunistischen Ländern, zu erwarten.
Immerhin überwiegt das Positive an jenem Entschluß des Moskauer heiligen Synods, hinter dem selbstverständlich ein wohlerwogener Plan Chruschtschows steht, die negativen Erwägungen. Doch vor übertriebenen Hoffnungen ist zu warnen. Die Lenker der UdSSR und einiger Satellitenstaaten betrachten das Konzil, die Kirche insgesamt als reines Politikum. Der Kommunismus wird seine religionsfeind-liche Wesenheit nicht ändern. Viele seiner Anhänger verübeln Chruschtschow und Tito, der sämtliche iugoslawischen Bischöfe zum Vatikanum II fahren ließ, die Elastizität im Kampf gegen die Religion und sie erblicken darin einen neuen Beweis revisionistischen Verrats. Aus China ist niemand in Rom erschienen; es wird nur durch Bischöfe aus dem Exil und aus Taiwan repräsentiert.
Trotz allem: Wir verspüren einen Hauch milderer Lüfte, und wir verzeichnen mit Freuden die leiseste Entspannung, die ohne Preisgabe ewiger Werte geschieht, wenn und weil sie dem Frieden dient.
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