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Der ÖGB bietet Starthilfe

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Hinter dem ganzen Plan steht der durchaus positive allgemeine Gedanke, die österreichische Wirtschaft als Ganzes endlich den Verhältnissen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts anzupassen. In dieser Richtung ist aus Unbeholfenheit, Starrheit und Risikoangst vieles unterblieben. Man sieht ringsherum in den Nachbarstaaten die neue technische Welt aus dem Boden schießen, während man selbst auf völlig veralteten Fundamenten steht, und man beginnt es nun mit der Angst zu kriegen, daß man wieder einmal zu spät kommt. Das erklärt auch, daß der österreichische Gewerkschaftsbund als besonders stark treibende Kraft auf- tritt und bereit ist, sofort 200 Millionen Schilling zum Grundkapital eines solchen neuen Instituts beizuschießen. Daß der ÖGB dabei in erster Linie an den Arbeitsplatz denkt, ist klar, und das macht die Sache so schwierig, denn die Bankleute — es handelt sich sowieso fast nur um staatliche und sonstige „gemeinwirtschaftliche“ Geldinstitute — sehen den Arbeitsplatz nur dann gesichert, wenn die mit dem zur Verfügung gestellten Kapital geschaffene Investition auch imstande ist, zu arbeiten und ihre Produkte gewinnbringend zu verkaufen. Arbeitsplatzsicherung wurde in der Verstaatlichten Industrie jahrelang mit dem Effekt betrieben, daß eben jene Anpassungsmaßnahmen, die der institutionsfreudige Österreicher mit einer neuen Institution heute schaffen will, unterblieben sind.

Das Ganze spitzt sich damit auf eine sehr unangenehme Fragestellung zu, nämlich auf die Frage, wer darüber zu befinden hat, was Hoffnungsindustrien beziehungsweise zukunftsträchtige Wirtschaftszweige überhaupt sind. Wäre in Österreich das kommerzielle Denken selbstverständlich, dann brächte diese Frage keine Schwierigkeiten. So aber stehen versorgungspolitische, lokale, vielleicht auch bürokratische Gesichtspunkte obenan, was die Diskussion einstweilen fruchtlos macht. Zwischen den Traumvorstellungen von einer neuen Schwerindustrie, dem Festhalten an den bisherigen wirtschaftlichen Einrichtungen und der Erhaltung der Arbeitsplätze an ungeeigneten Orten, ist es schwer, eine neue Orientierung zu finden. Man wird sie finden, das ist sicher. Aber übers Knie brechen kann man dieses schwerwiegende Finanz- und Strukturproblem nicht.

Bleiben wir im Rahmen der Landwirtschaft. Man wird sich hier zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen haben, wie weit man der Landwirtschaft Investitionskapital vorenthalten kann und darf und wie weit man Geldmittel der Landwirtschaft dazu heranziehen darf, Investitionen in der Industrie durchzuführen. Die nächstliegende Frage ist die, ob der Bauer mit seinem Arbeitserlös den Aufbau landwirtschaftsfremder Industrien zu finanzieren hat. Diese Frage ist hart, aber sie ist nicht zu vermeiden, denn alle Kaschierungen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß man zur Stellung des Investitionskapitals der Landwirtschaft zumindest keine klare Stellung bezieht.

Die Landwirtschaft kann demgegenüber nur feststellen, daß sie in der Zeit einer der größten Umstellungen des Agrarapparats selbst jeden erreichbaren Groschen an Investitionskapital benötigt, um das Problem der Marktanpassung der Landwirtschaft zu lösen. Wenn man von Hoffnungsindustrien spricht, die es aufzubauen gilt, dann muß die Landwirtschaft darauf hinweisen, daß zu diesen zukunftsträchtigen Zweigen, angesichts des steigenden Lebensmittelbedarfs der Weltbevölkerung und angesichts der wirtschaftlichen Selbstbehauptung unseres Landes, in erster Linie die Lebensmittelindustrien gehören, deren Errichtung eines der Hauptan- ligen der wirtschaftlichen Umstrukturierung der nächsten Zeit sein wird.

Die österreichische Landwirtschaft wird als „Industrie Nummer 1“ ihr eigenes Kapital selbst benötigen und sich mit der Idee einer Investitionsbank nur befreunden können, wenn sie die Garantie erhält, daß ihr die für den Aufbau ihrer eigenen Hoffnungsindustrien notwendigen Kapitalien gesichert werden.

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