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Ist der Kirchenbeitrag zu hoch?

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Von allen anderen finanziellen Leistungen, die der Katholik für kirchliche Zwecke zu erbringen hat, unterscheidet sich der Kirchenbeitrag in seiner gegenwärtigen Rechtsform grundlegend: Er ist nicht, wie etwa Kollekten oder das Monatsopfer für die Caritas, eine freiwillige Leistung, sondern ist durch kirchliches und staatliches Recht vorgeschrieben und erawingbar. Er ist aber auch der Höhe nach festgesetzt, der zu entrichtende Beitrag ist also keineswegs dem Belieben des einzelnen Katholiken überlassen.

Diese Tatsache zwingt selbstverständlich zu einer sorgfältigen Überlegung, ob die Höhe des vorgeschriebenen Kirchenbeitrags nicht etwa die Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen übersteigt. Nachfolgend sollen einige Vergleiche mit anderen Ausgaben angestellt werden, die die Größenordnung der Kirchenbeitragsleistung in ihrem Verhältnis zu einigen Einnahme- oder Ausgabenposten des Staatshaushalts, aber auch der privaten Wirtschaftsgebarung deutlich werden lassen.

Kirchenbeitrag und Biersteuer

In erster Linie drängt sich wohl der Vergleich der Leistung des Katholiken an die Kirche mit jener an den Staat auf. Eine solche Untersuchung ergibt, daß der Kirchenbeitrag nicht einmal ein Prozent der öffentlichen Abgaben ausmacht. Anders ausgedrückt: Jeder Österreicher zahlt an Staat, Länder und Gemeinden hundertmal mehr an Abgaben, als an die Kirche. Die Tabaksteuer einschließlich Monopolabgabe trägt fünfmal soviel ein wie der Kirchenbeitrag aller österreichischen Diözesen, die Umsatzsteuer das 28fache, die Zölle das Zehnfache, die Mineralölsteuer das Sechsfache! Etwa gleich hoch wie das gesamte Kirchenbeitragsaufkommen ist der Ertrag der Biersteuer. Während der Kirchenbeitrag in der Diözese Linz im Jahre 1962 umgerechnet auf den einzelnen Katholiken im Durchschnitt 62 Schilling betrug, hatte er durchschnittlich an Vermögenssteuer 81 Schilling, an Stempeln und Rechtsgebühren 272 Schilling, an Umsatzsteuer 806 Schilling zu entrichten.

Vergleicht man den Kirchenbeitrag mit sämtlichen in Österreich eingehobenen Steuern und steuerähnlichen Abgaben, also auch den von den Sozialversicherungsträgern eingehobenen, so ist das Größenverhältnis etwa 1:175, der Kirchenbeitrag macht also nicht viel mehr als ein halbes Prozent aus.

Legt man schließlich dem Vergleich das österreichische Nationalprodukt zugrunde, so zeigt sich, daß sich der Kirchenbeitrag zwi schen zwei und drei Prozent bewegt, während die steuerliche Belastung einschließlich der parafiskalischen Abgaben etwa 40 Prozent ausmacht. Zum gleichen Ergebnis gelangen wir, wenn wir vom verfügbaren persönlichen Einkommen, also der Summe aller Löhne, Gehälter, Unternehmer- und Transfereinkommen nach Abzug der direkten Steuern und Sozialbeiträge ausgehen. Im Jahre 1962 betrug es 125.461 Millionen Schilling oder umgerechnet pro Haushalt 53.990 Schilling. Wäre der Kirchenbeitrag wirklich ein „Zehent”, so müßte jeder Familienerhalter im Durchschnitt jährlich 5400 Schilling zahlen — tatsächlich zahlt er ein viertel Prozent des Einkommens!

Die Ausgaben des Bundes für Straßen und

Verkehr sind sechzehnmal so hoch, die für Landesverteidigung (ohne das Bauprogramm des Bundesheeres) sechsmal so hoch, seine Aufwendungen für Arbeitslosenunterstützung ■— trotz der gegenwärtigen Vollbeschäftigung — immer noch fast doppelt so hoch wie das Aufkommen an Kirchenbeiträgen in ganz Österreich.

Viel mehr für Alkohol

Wenn wir den Blick von den Staatsflnanzen weg und zum Privathaushalt hinwenden und die Höhe der durchschnittlichen Kirchenbeitragsleistung mit den Ausgaben für die verschiedenen Genußmittel vergleichen, so ergibt sich, daß der Aufwand für Tabak etwa zehnmal so groß ist, der Verbrauch von Schokolade, Schokoladewaren und Zuckerwaren das Fünffache erfordert, der für Bier das Zehnfache, für Wein das Achtfache, für Spirituosen das Dreifache. Insgesamt gibt der Österreicher im Durchschnitt dreiundzwanzigmal soviel für alkoholische Getränke aus, als sein Kirchenbeitrag ausmacht. Für Bildung, Unterhaltung und Erholung beträgt der Aufwand das Zwanzigfache, für die Anschaffung von Personenkraftwagen das Fünffache.

Immer wieder hört man die Klage, es sei das Schlimmste am Kirchenbeitrag, daß er von Jahr zu Jahr höher wird. Wenn man aber bedenkt, daß die Lohn- und Gehaltssumme in Österreich zwischen 1950 und 1960 um 217 Prozent, also durchschnittlich um 12,3 Prozent jährlich gestiegen ist, daß sie von 1961 auf 1962 um weitere 10,2 Prozent angewachsen ist oder daß — um eine Vergleichszahl aus neuester Zeit anzuführen — das Nettoverdienst der Beschäftigten in der Industrie vom Jänner bis zum Juni 1964 um 15,1 Prozent angestiegen ist, so ist es wohl nur eine Selbstverständlichkeit, daß auch der Kirchenbeitrag steigen muß. Schließlich steigen ja auch alle Ausgaben, zu deren Deckung der Kirchenbeitrag eingehoben wird, mindestens im gleichen Ausmaß.

Die Finanzkammer und die 24 Kirchenbeitragstellen, die in der Diözese Linz mit der Einhebung der Kirchenbeiträge beauftragt sind, sehen es als ihre wichtigste Aufgabe an, bei der Vorschreibung und Einhebung in der ganzen Diözese nach einheitlichen, unterschiedslos auf alle Katholiken anigewendeten Gesichtspunkten vorzugehen und so die Last des Kirchenbeitrags gleichmäßig, je nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen, zu verteilen. Es wäre weder mit dem kirchlichen, noch mit dem staatlichen Recht, vor allem aber nicht mit dem Gewissen vereinbar, wollte der einzelne für sich eine Ausnahme beanspruchen.

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