7038982-1990_09_01.jpg
Digital In Arbeit

Beitrags-Karusell

Werbung
Werbung
Werbung

Die Steuerreferenten der Wiener Arbeiterkammer sind ziemlich rat­los. Immer wieder werden sie nach der Möglichkeit einer Zweckwid­mung von Kirchenbeiträgen ge­fragt. Gehört haben offensichtlich etliche Katholiken von einer sol­chen Möglichkeit, aber „nix Ge­naues weiß man nicht". Auch in der Arbeiterkammer nicht. Kein Wun­der. Das Interesse ist groß, die In­formation aber spärlich. Dabei wird die Zweckwidmung von Kirchen­beiträgen seit längerem geprobt:

So können seit 1988 die Katholi­ken der Diözese Linz wählen, wohin ihr Kirchenbeitrag fließen soll. Wenn auch nur unter 13, von der Finanzkammer samt Kontonummer vorgegebenen Institutionen. Dazu gehören auch die Caritas, die Theo­logische Hochschule, das Priester­seminar in Linz und Hilfsorganisa­tionen für Arbeitslose. Also (Teil-) Organisationen, die ohnehin mit Finanzkammer-Mitteln bedacht werden.

Das Verfahren ist relativ einfach:

• Die Beitragspflichtigen zahlen direkt auf das Konto ihres Wunsch­kandidaten ein;

• dieser Betrag wird von der Fi­nanzkammer Linz als Kirchenbei­trag anerkannt und vermindert die Vorschreibung bis zu 100 Prozent;

• das Finanzamt behandelt die Zweckwidmung wie einen „norma­len" Kirchenbeitrag; bis zu 1.000 Schilling können steuermindernd geltend gemacht werden.

583 der 565.000 Beitragspflich­tigen haben 1989 von dieser Mög­lichkeit Gebrauch gemacht und 960.418 Schilling in die gewünsch­te Richtung umgeleitet. (Zum Ver­gleich: das Kirchenbeitragsaufkom­men betrug 1989 rund 583 Millio­nen.) Beliebtestes Ziel für die Zweckwidmung ist die Caritas; sie kassierte 1989 235.244 Schilling. Besonders bedacht wurden auch der Arbeitskreis Weltkirche und Ent­wicklungsförderung, das Priester­seminarund Betriebsseelsorgezen-tren.

Auch in Wien besteht seit einem Jahr die Möglichkeit einer Zweck­widmung. Wer davon Gebrauch machen will, muß

• bei der Finanzkammer einen Zweckwidmungs-Antrag ausfüllen,

• sein Einkommen offenlegen,

• unter sechs vorgegebenen Insti­tutionen auswählen.

Weiters dürfen

• nur 50 Prozent des vorgeschrie­benen Kirchenbeitrages zweckge­widmet werden,

• keine Mahnungen zur Zahlung des Kirchenbeitrages vorliegen.

Zur Auswahl stehen: das Prie­sterseminar, die erzbischöflichen Seminare in Hollabrunn und in Sachsenbrunn, das Familienwerk der Katholischen Aktion, die Caritas und die Stiftung Religionspä­dagogische und Pädagogische Akademie. Also ebenfalls Institu­tionen, die vom Diözesanbudget getragen werden.

54 Wiener Katholiken haben 1989, dem ersten Versuchsjahr der Zweckwidmung, weder Zeit noch Mühen gescheut, um „ihre" Insti­tution mit einer direkten Finanz­spritze zu bedenken. Knapp 80.000 Schilling wollten sie auf diese Weise der Finanzkammer abzwicken. (Zum Vergleich: Das gesamte Bei­tragsaufkommen betrug 1989 in Wien rund 900 Millionen Schilling). Besonders bedacht wurde die Cari­tas, gefolgt vom Familienwerk.

Wie lange diese beiden Zweck-widmungs-Möglichkeiten noch of­feriert werden, ist ungewiß. In der Linzer Diözese bewegen sich Inter­esse und umgeleitete Beiträge noch in „einem zumutbaren Rahmen". Nimmt allerdings der Geldfluß zu, wird man auf die Notbremse stei­gen, sagt Siegfried Primötshofer, Kirchenbeitragsreferent in der Fi­nanzkammer. Wenn die Zweck­widmungen mehr als zehn Prozent der von der Finanzkammer vorge­sehen Unterstützung betragen, werden entweder die Zuschüsse ge­kürzt oder die Zweckwidmung auf 50 Prozent reduziert. 1989 hat bei­spielsweise die Caritas von der Finanzkammer 16 Millionen Schil­ling an Zuschüssen erhalten. Die Schmerzgrenze läge demnach bei 1,6 Millionen.

Derlei Überlegungen stellt in Wien auch Finanzkammer-Direk­torin Brigitta Klieber an. Sie kann aus bilanztechnischen Gründen derzeit noch nicht sagen, wer wie­viel der 80.000 Schilling Zweck­widmung bekommen wird. Ob das eine Rolle für die Zahler spielt?

Die Zuschüsse der Finanzkam­mer an die Caritas, die im Vorjahr 13 Millionen betragen haben, sol­len beispielsweise hauptsächlich den Verwaltungsaufwand dieser Organisation decken. Fließt dann nicht ohnehin jeder zweckgewid­mete Kirchenbeitrag für die Cari­tas nur in deren Verwaltung?

Dazu Finanzkammer-Referent Josef Weiss: „Wer seinen Beitrag in Wien der Caritas widmet, darf nicht glauben, es handle sich dabei um ein konkretes Projekt. Für die Rumänienhilfe beispielsweise odjer ein Entwicklungshilfe-Projekt. Es handelt sich eigentlich nur um ei­nen Zuschuß für den laufenden Betrieb der Caritas." Bewußt ist das vermutlich den wenigsten.

Auch in Vorarlberg wird nach mehr Mitbestimmung verlangt. Die „Aktionsgemeinschaft Kirche sind wir alle", fordert den Verzicht auf Exekution des Kirchenbeitrages. Dazu Mitstreiter Michael Streibel, Direktor der Sozialakademie Bre-genz: „Wenn nicht exekutiert wird, kann ohnehin jeder sein Geld über­weisen, wohin er will. Daher inklu-diert unsere Forderung automatisch eine hundertprozentige Zweckwid­mung und geht sogar über das Lin­zer Modell hinaus."

Er selbst überweist seinen Kir­chenbeitrag an ein katholisches Bil­dungshaus. „Das wird zwar for­mell von der Finanzkammer nicht akzeptiert, aber bis jetzt hat sie nichts gegen mich unternommen."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung