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Beitrags-Karusell
Die Steuerreferenten der Wiener Arbeiterkammer sind ziemlich ratlos. Immer wieder werden sie nach der Möglichkeit einer Zweckwidmung von Kirchenbeiträgen gefragt. Gehört haben offensichtlich etliche Katholiken von einer solchen Möglichkeit, aber „nix Genaues weiß man nicht". Auch in der Arbeiterkammer nicht. Kein Wunder. Das Interesse ist groß, die Information aber spärlich. Dabei wird die Zweckwidmung von Kirchenbeiträgen seit längerem geprobt:
So können seit 1988 die Katholiken der Diözese Linz wählen, wohin ihr Kirchenbeitrag fließen soll. Wenn auch nur unter 13, von der Finanzkammer samt Kontonummer vorgegebenen Institutionen. Dazu gehören auch die Caritas, die Theologische Hochschule, das Priesterseminar in Linz und Hilfsorganisationen für Arbeitslose. Also (Teil-) Organisationen, die ohnehin mit Finanzkammer-Mitteln bedacht werden.
Das Verfahren ist relativ einfach:
• Die Beitragspflichtigen zahlen direkt auf das Konto ihres Wunschkandidaten ein;
• dieser Betrag wird von der Finanzkammer Linz als Kirchenbeitrag anerkannt und vermindert die Vorschreibung bis zu 100 Prozent;
• das Finanzamt behandelt die Zweckwidmung wie einen „normalen" Kirchenbeitrag; bis zu 1.000 Schilling können steuermindernd geltend gemacht werden.
583 der 565.000 Beitragspflichtigen haben 1989 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und 960.418 Schilling in die gewünschte Richtung umgeleitet. (Zum Vergleich: das Kirchenbeitragsaufkommen betrug 1989 rund 583 Millionen.) Beliebtestes Ziel für die Zweckwidmung ist die Caritas; sie kassierte 1989 235.244 Schilling. Besonders bedacht wurden auch der Arbeitskreis Weltkirche und Entwicklungsförderung, das Priesterseminarund Betriebsseelsorgezen-tren.
Auch in Wien besteht seit einem Jahr die Möglichkeit einer Zweckwidmung. Wer davon Gebrauch machen will, muß
• bei der Finanzkammer einen Zweckwidmungs-Antrag ausfüllen,
• sein Einkommen offenlegen,
• unter sechs vorgegebenen Institutionen auswählen.
Weiters dürfen
• nur 50 Prozent des vorgeschriebenen Kirchenbeitrages zweckgewidmet werden,
• keine Mahnungen zur Zahlung des Kirchenbeitrages vorliegen.
Zur Auswahl stehen: das Priesterseminar, die erzbischöflichen Seminare in Hollabrunn und in Sachsenbrunn, das Familienwerk der Katholischen Aktion, die Caritas und die Stiftung Religionspädagogische und Pädagogische Akademie. Also ebenfalls Institutionen, die vom Diözesanbudget getragen werden.
54 Wiener Katholiken haben 1989, dem ersten Versuchsjahr der Zweckwidmung, weder Zeit noch Mühen gescheut, um „ihre" Institution mit einer direkten Finanzspritze zu bedenken. Knapp 80.000 Schilling wollten sie auf diese Weise der Finanzkammer abzwicken. (Zum Vergleich: Das gesamte Beitragsaufkommen betrug 1989 in Wien rund 900 Millionen Schilling). Besonders bedacht wurde die Caritas, gefolgt vom Familienwerk.
Wie lange diese beiden Zweck-widmungs-Möglichkeiten noch offeriert werden, ist ungewiß. In der Linzer Diözese bewegen sich Interesse und umgeleitete Beiträge noch in „einem zumutbaren Rahmen". Nimmt allerdings der Geldfluß zu, wird man auf die Notbremse steigen, sagt Siegfried Primötshofer, Kirchenbeitragsreferent in der Finanzkammer. Wenn die Zweckwidmungen mehr als zehn Prozent der von der Finanzkammer vorgesehen Unterstützung betragen, werden entweder die Zuschüsse gekürzt oder die Zweckwidmung auf 50 Prozent reduziert. 1989 hat beispielsweise die Caritas von der Finanzkammer 16 Millionen Schilling an Zuschüssen erhalten. Die Schmerzgrenze läge demnach bei 1,6 Millionen.
Derlei Überlegungen stellt in Wien auch Finanzkammer-Direktorin Brigitta Klieber an. Sie kann aus bilanztechnischen Gründen derzeit noch nicht sagen, wer wieviel der 80.000 Schilling Zweckwidmung bekommen wird. Ob das eine Rolle für die Zahler spielt?
Die Zuschüsse der Finanzkammer an die Caritas, die im Vorjahr 13 Millionen betragen haben, sollen beispielsweise hauptsächlich den Verwaltungsaufwand dieser Organisation decken. Fließt dann nicht ohnehin jeder zweckgewidmete Kirchenbeitrag für die Caritas nur in deren Verwaltung?
Dazu Finanzkammer-Referent Josef Weiss: „Wer seinen Beitrag in Wien der Caritas widmet, darf nicht glauben, es handle sich dabei um ein konkretes Projekt. Für die Rumänienhilfe beispielsweise odjer ein Entwicklungshilfe-Projekt. Es handelt sich eigentlich nur um einen Zuschuß für den laufenden Betrieb der Caritas." Bewußt ist das vermutlich den wenigsten.
Auch in Vorarlberg wird nach mehr Mitbestimmung verlangt. Die „Aktionsgemeinschaft Kirche sind wir alle", fordert den Verzicht auf Exekution des Kirchenbeitrages. Dazu Mitstreiter Michael Streibel, Direktor der Sozialakademie Bre-genz: „Wenn nicht exekutiert wird, kann ohnehin jeder sein Geld überweisen, wohin er will. Daher inklu-diert unsere Forderung automatisch eine hundertprozentige Zweckwidmung und geht sogar über das Linzer Modell hinaus."
Er selbst überweist seinen Kirchenbeitrag an ein katholisches Bildungshaus. „Das wird zwar formell von der Finanzkammer nicht akzeptiert, aber bis jetzt hat sie nichts gegen mich unternommen."
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