Rohstoffquelle Wald - Es ist mittelfristig nicht abzusehen, dass die Nachfrage nach Holz, Zellstoff und anderer Biomasse abnehmen wird. Schon gar nicht beim Übergang in ein postfossiles Zeitalter. - © Wolfgang Machreich

Wald: Lebensraum, Ruhepol – und Rohstoffquelle

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Für Österreich – eines der waldreichsten Länder Europas – ist der Tag des Waldes am 21. März besonders relevant. Wohin muss im Forst die Reise gehen? Ein Gastkommentar.

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Für Österreich – eines der waldreichsten Länder Europas – ist der Tag des Waldes am 21. März besonders relevant. Wohin muss im Forst die Reise gehen? Ein Gastkommentar.

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Für viele Menschen in Österreich ist Wald das Selbstverständlichste der Welt. Er war immer da und wird immer sein. Elementare Kulisse für den Tourismus. Ruhepol und Wohlfühlfaktor in einer hektischen Welt. Nicht zuletzt Einkommensquelle und Lieferant von natürlichen Rohstoffen. Und doch ist er immer auch mehr. Ein Abbild sich verändernder Umwelt, sich verändernder Gesellschaft. Nachdem das Waldsterben in den 1980ern überwunden war, wurde Wald wieder zunehmend positiv konnotiert im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung der größten landbasierten Ressource in Europa. Nun aber drängen wieder verstärkt Horrormeldungen ins mediale Bild: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, illegale Schlägerungen, nicht nur im Tropenwald. Die Effekte des Klimawandels sind nun direkt bei uns sichtbar, die Geschwindigkeit und die Vehemenz der Waldschäden durch Dürre, extreme Wetterereignisse und Schadorganismen sind enorm. Was also tun?

Die daraus entstandenen Diskussionen zeigen auf, dass Wald kein homogenes Politikfeld ist, keine klar einzuordnende Materie in der öffentlichen Wahrnehmung. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Ansprüche an den Wald vielfältig sind, die Zuständigkeiten und Zielsetzungen jedoch fragmentiert.

Nutzen oder schützen?

Die neue EU-Waldstrategie 2030 versucht, diese unterschiedlichen Themenbereiche zu vereinen. Im Vergleich zu früheren Waldstrategien hat sich der Schwerpunkt in der Waldpolitik von der Bewirtschaftung hin zu Biodiversität und Vorbeugung des Klimawandels gewandelt. Die wesentlichen Bruchlinien für die Umsetzung der Strategie, die auch als Grundlage für die nationale, österreichische Waldpolitik dient, zeigen sich bei der Frage, ob die Ressourcen des Waldes eher genutzt oder geschützt werden sollen. Obwohl das Portfolio an möglichen Maßnahmen vielfältig ist, schlägt das Pendel momentan in Richtung Schutz der Wälder aus. Damit ist mehr „Außernutzungstellung“ gemeint sowie eine Ausweitung der Schutzgebiete mit strengeren Auflagen für die Waldbewirtschaftung.

Die Treiber dafür sind einerseits die Umsetzung der Biodiversitätspolitik, andererseits der Versuch, den Klimawandel durch ein möglichst hohes Maß an Kohlenstoffspeicherung im Waldökosystem zu mindern. Konservierende Lösungsansätze können allerdings in Zeiten sich rapide verändernder Ökosysteme und verstärkter Störungen auch einen Nachgeschmack haben. Im Falle großflächiger Schäden (etwa bei Waldbränden) können hohe Kohlenstoffvorräte schließlich auch zu enormen Kohlenstoffquellen werden. So stellt der eben veröffentlichte Bericht der Europäischen Umweltagentur auch fest, dass Kohlenstoffspeicherung im Wald ein komplementäres Ziel, aber kein Allheilmittel sein kann.

Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit man die Resilienz des Waldes, das heißt seine Fähigkeit, sich von Störungen zu erholen, aktiv gestalten soll. Alternative Konzepte schlagen mehr integriertes Waldmanagement vor, in dem aktive Waldbewirtschaftung, Klima- und Biodiversitätsschutz vereinbar sind.

Eine weiteres Thema ist die geopolitische Dimension, die durch aktuelle Kriege und Konflikte gerade schmerzhaft vor Augen geführt wird. Die Frage ist, ob es sich Europa erlauben kann, auf seine heimischen Ressourcen zu verzichten, während es in der Energie-, Rohstoff- und Produktversorgung so stark von anderen Regionen dieser Erde abhängig ist. Ein höherer Grad an Selbstversorgung ist schließlich das Gebot der Stunde. Es ist mittelfristig auch nicht abzusehen, dass die Nachfrage nach Holz, Zellstoff und anderer Biomasse abnehmen wird. Schon gar nicht beim Übergang in ein postfossiles Zeitalter. Oder wollen wir gar anderen, wirtschaftlich schwächeren Regionen und deren Wäldern den Preis für unser Greening umhängen, indem wir verstärkt Waldrohstoffe importieren müssen?

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