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Wenige verdienen, aber alle werden zahlen

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Viel Geld wandert in die Genforschung - aber nur um neue, ertragreiche Verfahren zu entwickeln. Es fehlt der Druck, ebenso viel in die Risikoabschätzung zu investieren.

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Viel Geld wandert in die Genforschung - aber nur um neue, ertragreiche Verfahren zu entwickeln. Es fehlt der Druck, ebenso viel in die Risikoabschätzung zu investieren.

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Die Sorge der Bevölkerung bezüglich der Anwendung der Gentechnik, die im Gentechnik-Volksbegehren zum Ausdruck kam, ist von der Erfahrung der Vergangenheit geprägt. Mächtige Interessengruppen haben es verstanden, die eigenen Interessen zum Gemeinwohl hochzustilisieren und gleichzeitig das Bisiko der Anwendung von gefahrenreichen Techniken auf die Allgemeinheit abzuwälzen. letzteres geschieht dadurch, daß bezüglich der Haftung für Schäden aus der Technik Ausnahmen beziehungsweise Beschränkungen eingeräumt werden. Typische Beispiele hierfür sind die Atomtechnik (hier fühlt sich der Österreicher durch die Ereignisse von Teschernobyl zu Recht bestätigt), der Flugverkehr und die Schiffahrt. Kein einziges Atomkraftwerk würde gebaut und kein dichtbevölkertes Gebiet überflogen werden, wenn nicht staatliche Haftungsbegrenzungen bestünden und die Betreiber für alle möglichen Folgen aufkommen müßten.

Mit anderen Worten: Das Bisiko der Technik wird sozialisiert, die Gewinne aber werden privatisiert. Das jüngste biologische Desaster der Rinderwahnsinn BSE - zeigt ebenfalls dieses Muster: Der einzelne leidet und stirbt; die Allgemeinheit zahlt sowohl für die Folgeschäden als auch für die Forschung, die zur Behebung beziehungsweise zur Verminderung dieser Schäden notwendig ist; Unschuldige werden wirtchaftlich geschädigt, ja sogar in den Ruin getrieben; schließlich ist die Bevölkerung dazu verurteilt, in permanenter Angst zu leben, weil die Durchseuchung breitflächig erfolgt ist. Die Verantwortlichen aber kommen ungeschoren davon, weil sie sich auf mangelnde Kenntnis der Gefahr berufen können.

In Zukunft muß daher folgender ethischen Grundregel entsprochen werden: Es sollte etwa gleich viel für die Investitionen in den Aufbau einer

Technik wie für das Erkennen und die Abschätzung ihrer möglichen Folgen aufgewendet werden. Was letzteres anbelangt, wird aber üblicherweise gespart. Die Universitäten und staatlichen Forschungsanstalten werden aus bud-getären Gründen vielmehr angehalten, sich um Forschungsaufträge aus dem Bereich der Wirtschaft zu bemühen. Damit werden die zu Kontrollierenden zu Auftraggebern.

Abhilfe könnte da eine verschuldensunabhängige Haftung für die Folgen (ohne Ausnahmen und Plafo-nierungen) sowie die Pflicht zum Abschluß einer diesbezüglichen Haftpflichtversicherung (diese sichert vor allem gegen das Risiko des Konkurses und sonstigen „Verschwindens” der Haftungsträger) bringen. Das hätte nämlich zur Folge, daß dann zur Quantifizierung und Begrenzung des ökonomischen Risikos bzw. der Versicherungskosten auch die möglichen Folgen der Technikanwendung erforscht werden müßten. Eine persönliche, verschuldensunabhängige Haftung der Akteure sollte ebenfalls Teil eines die Vor- und Nachteile gerecht abwägenden Haftungspaketes sein. Derzeit verstecken sie sich meist hinter der Rechtskonstruktion einer juristischen Person oder der Argumentation der mangelnden bösen Absicht beziehungsweise mangelnden groben Fahrlässigkeit.'Was die Gefahren der Gentechnik anbelangt, ist zu bedenken, daß die Funktionen von Genen und Gengruppen in der Regel aus der eingeengten Sicht der kurzfristigen ökonomischen Verwertbarkeit im gegenwärtigen Gesellschaftssystem definiert werden. Dieser Zugang stellt eine verkürzte Betrachtungsweise dar, die einen Großteil der ökologisch bedeutsamen Zusammenhänge außer acht läßt. Viele dieser Beziehungen kennen wir überhaupt noch nicht.

Viel mehr Vorsicht

Deshalb sollten Eingriffe in bewährte biologische Systeme und Gestalten überhaupt nur dann stattfinden, wenn sie für den Menschen überlebensnotwendig (etwa im Bereich der Medizin) und der Natur zusinnbar (sich in bewährten Gestalten und Evolutionsmuster einfügend) sind. Dies gilt vor allem für höhere Lebewesen (Pflanzen und Tiere), deren komplexe Organisationsstruktur und geringere Anpassungsfähigkeit ein vorsichtigeres Vorgehen erfordert, vor allem wenn es zu einem artüberschreitenden Gentransfer kommt.

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