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Grenzen der Fachmittelschulen

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Die Binsenwahrheit„ daß die wirtschaftliche uncT politische Lage unseres Vaterlandes Qualitätsleistungen auf allen Gebieten verlangt, bedarf keines Beweises mehr. Qualität setzt geistige Aibeit, also geistige Schulung voraus, die . somit gesteigert werden muß, wenn gesteigerte Leistung gefordert wird. Das gilt auch für die technischen Dienste in der staatlichen Verwaltung und in der Wirtschaft. Die österreichische Verwaltung hat bisher den sogenannten „höheren technischen Dienst“ den hochschulmäßig gebildeten Beamten anvertraut, für den fachtechnischen oder „mittleren technischen Dienst“ dürfte die reformierte fünfklassige berufsbildende Fachmittelschule als Vorbereitung vollauf genügen. Diesen Typus aber als normale Vorschule für die technischen Hochschulen zu erklären, stößt auf ernsteste Einwendungen. Damit ist nicht der bisherige Usus abgelehnt, begabten Absolventen der Staatsgewerbeschulen den Zutritt zur Hpchsdiule zu öffnen, sondern nur die Ausdehnung und Verallgemeinerung dieser Berechtigung, die den Verzicht auf höhere Allgemeinbildung der hochschulmäßig geschulten Techniker bedeutete. Überdies würde ein solcher Schritt, offen gesagt, eine Auffassung vom Wesen der Technik verewigen, die schnurstracks in den Materialismus und die im Nationalsozialismus auf die Spitze getriebene Geisteshaltung hineinführte, die annahm, man könne der Technik mit einem Sammelsurium von Normung und Schema gerecht werden und 90 Prozent aller ihrer Aufgaben mit einer Fachmittelschulausbildung bewältigen. Diese Auffassung entsprach der Seelen- und Erfurchtslosigkeit jenes Systems, das in seinem lächerlichen Erfinderrummel in Erscheinung trat. Als ob ein paar Prämien genügten, um vom Aushub eines Erdloches bis zur kompliziertesten Konstruktion die Technik auf höchste Touren zu bringen!

Nein, so ist es nicht. Technik ist Synthese naturgesetzlicher Gegebenheiten, wissenschaftlicher Forschung, hart erworbener praktischer Erfahrung und intuitiver, dabei streng logischer Kombination. Technik ist also eminent geistige Arbeit, der Arbeit in grundlegenden Disziplinen der Geisteswissenschaften gleichwertig. Die Darbietung gewisser Produkte dieser geistigen Arbeit als sozusagen konzentrierte Konserven in Form von Norm und Schema ist nicht das Um und. Auf der Technik, sondern dient nur besonderen Aufgaben auf bestimmten tech-nisdien Gebieten. Für die richtige Auswertung derselben ist die Fachmittelschule am Platze, ganz verfehlt aber wäre es, die technischen Hochschulen bloß als höhere Stufe der Fachmittelschulen anzusehen. Damit würde ein Schritt nach rückwärts getan, der sich für die ideellen Grundlagen der Technik verhängnisvoll auswirken müßte.

Wie Dessauer sagt, ist nach christlicher Auffassung Technik Fortsetzung des Schöp^ungs werkes Gottes, und in diesem Sinne von höchstem philosophischem Gehalt. Diese Zusammenhänge tun sich nur dem mit der Materie vertrauten Techniker auf, darum haben auch Philosophen ohne technische Schulung diese Fragen kaum behandelt. Die bedauerliche Unzulänglichkeit ihrer philosophischen Bildung behinderte wieder die Ingenieure an dieser Forschungsarbeit. Voll Freude begrüßen wir Techniker aus diesen Gründen die Errichtung einer philosophischen Lehrkanzel an der Wiener Hochschule für Bodenkultur. Hier wurde ein Weg geöffnet, der die Erkenntnis des Wesens der Technik fördern und helfen wird, die Trennung der Sachgebiete von ihrem geistigen Inhalte oder, wie wir als Christen richtiger sagen, von ihrem religiösen Kerne wieder zu beseitigen, hier den Laizismus zu überwinden, den Friedrich Muckermann die größte Ketzerei der Gegenwart genannt hat. Die Technik an sich ist ja nicht seelenlos, sondern der Zeitgeist hat sie in gewissem Sinne degradiert. Oder ist nicht auch der an der Universität herangebildete Arzt im- Zeitalter des Liberalismus und Materialismus einer ausgesprochenen „Technisierung“ verfallen? Das hohe Bildungsniveau, das für den Naturforscher und Mathematiker als selbstverständlich gilt, ist ebenso für den planenden und ausführenden Ingenieur notwendig, der oft genug Mathematiker, Naturforscher und — Pädagoge zugleich sein soll.

Das große Ansehen, dessen sich die österreichischen Hochschulingenieure in der ganzen Welt erfreuen, beruht nicht zuletzt auf der gediegenen Allgemeinbildung, die sie durch ihren Studiengang erwarben und die von der Fachmittelschule kaum geboten werden könnte. Mag die Realschuile mit guten Gründen als unzwedtmäßig der Aufhebung verfallen, so muß doch eine echte Mittelschule die normale Ausgangsbasis der technischen Hochschulen sein. Alle anderen

Reformziele können und sollen eingebaut werden, namentlich die Vorsorge, daß die praktischen und die geistigen Anlagen aufgelockert und fruchtbar gemacht und die natürlichen Begabungen zeitlich richtig geschieden werden.

Im öffentlichen Dienst wie in der Wirtschaft genügt es nicht, daß technische Beamte die Mechanik ihres engeren Bereiches beherrschen, sie müssen auch die Befähigung erworben haben, weitere Zusammenhänge zu überblicken, sollen sie gute und dem Gemeinwohl wahrhaft dienende Leiter sein. Die in der jetzigen Schuldebatte laut gewordene Forderung, „überspannte Bereditigungen auf ein vernünftiges Maß umzustellen“, hat auf manchen Gebieten des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens ohne Zweifel ihre Begründung, sie darf aber nicht den Anschein erwecken, als ob eine Hypertrophie von tüchtigen Akademikern bestünde, während doch in Wirklichkeit ein recht fühlbarer Mangel daran beklagt wird. Der gute geeignete Fachmann am rechten Platze ist der beste Diener des Gemeinwohles und des Aufstieges. Daß solche Menschen herangebildet werden, dafür kommt dem wohldurchdachten organischen Aufbau unseres Schulwesens eine entsdiei-dende Bedeutung zu.

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