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Kirche - Staat: Die Reibepunkte

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Das in der Zweiten Republik traditionell gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat wurde gerade in den letzten Monaten und Jahren immer wieder durch unterschiedliche Standpunkte in Sachfragen getrübt. Der wichtigste diesbezügliche Themenbereich ist die sogenannte „Ausländerfrage', also das Asylgesetz (das die Aufnahme von Flüchtlingen regelt) und das Aufenthaltsgesetz (das den Zuzug und den Aufenthalt von Ausländern -Gastarbeitern - normiert) beziehungsweise deren Vollzug. Während der Staat, repräsentiert durch Innenminister Franz Löschnak, mit beiden Gesetzen erreichen will, daß sich nicht mehr Ausländer in Österreich aufhalten, als „politisch, sozial und wirtschaftlich" verträglich ist, plädieren etwa Caritas-Präsident Helmut Schüller, aber auch Kardinal Franz König oder Bischof Reinhold Stecher für menschliche Lösungen. Der Grundtenor der kirchlichen Stellungnahmen: die Lebenssituation der Betroffenen müsse im Vordergrund stehen, nicht der buchstabengetreue Vollzug allzu komplizierter bürokratischer Vorschriften. In einem Kommentar der „Caritas-Zeitschrift" heißt es: „In der Asylfrage steuert das Verhältnis Kirche-Staat in Österreich erstmals seit der Fristenregelungsdiskussion auf eine nachhaltige Konfrontation zu. Dabei birgt die aktuelle Auseinandersetzung sogar größeren Sprengstoff: In der Frage der Fristen-regelung hatte der Staat (gegen den Widerstand der Kirche) durchgesetzt, von einzelnen Bürgern begangenes Unrecht nicht zu sanktionieren. Der Staat hatte damit ein passives Verhalten zu gesellschaftlichem Unrecht eingenommen. Nun ist es der Staat selbst, der Unrecht begeht."

Vorerst gelöst werden konnte im Frühjahr die Frage der für die anerkannten Religionsgemeinschaften notwendigen Daten: der Staat hat sich nun verpflichtet, als Ersatz für die 1986 abgeschafften Haushaltslisten, auf dem jeweils ersten Durchschlag des Meldezettels die Religionszugehörigkeit einzuhe-ben und den Kirchen zur Verfügung zu stellen (siehe auch Beitrag oben).

Von gesellschaftspolitischer Brisanz ist auch die Debatte über die

„Freiheit der Kunst" beziehungsweise die Frage des Strafrechts-Paragra-phen 188, also der „Religionsverhöhnung" (dazu auch Interview mit Michael Wilhelm auf dieser Seite). Der „religiöse Friede" ein geschütztes Rechtsgut, mögliche Verstöße dagegen richten sich gegen „eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre". Im April 1994 wurde die Kabarettgruppe „Habsburg Recycling" vom Vorwurf der Religionsverhöhnung freigesprochen. Im Juni wurden „profil' -Herausgeber Hubertus Czernin und Cartoonist Manfred Deix wegen Herabwürdigung religiöser Lehren zu einer Geldstrafe verurteilt, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Hintergrund der Debatten steht das neue Parteiprogramm des „Liberalen Forums" mit der Forderung nach einer „klaren Trennung von Kirchen und Staat". Daran anknüpfend versuchte die Partei Heide Schmidts, immer wieder das Verhältnis Kirche-Staat zu thematisieren: etwa in der Frage des Meldegesetzes aber auch im Zusammenhang mit den theologischen Fakultäten, den katholischen Privatschulen und dem Religionsunterricht. Dazu der Kommentar des unverdächtigen Grünen-Sprechers Peter Pilz: „Eine unverbindliche Kaffeehausdebatte."

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