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Mit einer Zunge sprechen

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Auch in der gegenwärtigen demokratischen Rechtsordnung unseres Landes ist die staatliche Gewalt übermächtig geworden. Die Kirche muß daher in noch viel stärkerem Maße als bisher eine Kirche der Gemeinde werden, um, gestützt auf die Gläubigen, notfalls auch ohne staatliche Finanzen und behördliche Hilfe bestehen und tätig sein zu können.

Die Alternative - hie staatliche Finanzen, da eine zahme Kirche oder eine „dankbare“ Kirche, wie es heute vielleicht auch von einzelnen kirchlichen Würdenträgern zart ausgedrückt wird - darf es nicht geben.

Jede Benachteüigung einer Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft, jedes Unrecht gegen einzelne Menschen, jeder Totalitätsanspruch muß unnachsichtig und ohne Ansehung der Person bekämpft werden. In Österreich zeichnet sich in den letzten Jahren eine Entwicklung ab, die Gefahren in sich birgt, öffentliche Subventionen für Kunst und Kultur gab es immer und sind zu bejahen, soweit die öffentlichen Gelder nicht immer stärker für eine Manipulation auch auf diesem Gebiet benützt werden.

Die staatliche Finanzhilfe wurde ausgedehnt auf Zeitungen, die politischen Parteien, die parlamentarischen Vertretungen der politischen Parteien, auf die Bildungseinrichtungen der politischen Parteien, auf die parteimäßig ausgerichteten Verbände der Gemeindevertreter, auf eine Unzahl von Vereinen, Klubs, Verbänden und Organisationen aller Art.

Klar gesagt: Alles und alle werden abhängig vom Staat und dessen Organen, von der jeweiligen Regierung und ihrer parlamentarischen Mehrheit. Das Geld, das vorher den

Staatsbürgern durch Steuern abgenommen wird, verteilt dann die „öffentliche Hand“ als Subvention, vielleicht als Ausdruck des Wohlwollens, vielleicht manchmal für Wohlverhalten!

Mit angeblicher Demokratisierung wird eine „Gesinnung der Dankbarkeit“ geschaffen.

Der rasche Ausbau des Laiendienstes im kirchlichen Rahmen wird zu einer Lebensfrage für die Betreuung priesterloser Gemeinden und der Gläubigen. Der Weg für die Weihe verheirateter, erprobter Männer für das Priesteramt wird ebenso beschritten werden müssen, ohne deswegen die Weihe von Priestern, die sich für die Ehelosigkeit entscheiden, aufzugeben.

Die stärkere Heranziehung der

Frauen in der Gemeinde soll vor allem in der Betreuung der Familien, der sozialen Tätigkeit, in der Ehe-und Jugendbetreung erfolgen. Ohne die Streitfrage einer Priesterweihe von Frauen weiterzuführen, sollen die Frauen volle Gleichberechtigung in der kirchlichen Gemeinschaft haben.

Mit Nachdruck muß die Notwendigkeit wiederholt werden, das kirchliche Ghetto für Geschiedene und Wiederverheiratete - von sehr begründeten Ausnahmen abgesehen — zu beenden und diese Menschen in die kirchliche Gemeinschaft zurückzuführen. Eine echte Prüfung der Ursachen bzw. Anlässe für die zahlreichen Kirchenaustritte wird ergeben, daß die beliebte und bis jetzt gehandhabte Schönfärberei unhaltbar ist.

Es geht in dieser Frage nicht darum, allein vom Standpunkt bürokratischer Bequemlichkeit den kirchlichen Oberen nach dem Munde zu reden. Vorschreibung und Art der Eintreibung des Kirchenbeitragee sind vielfach letzter Anstoß zum Kirchenaustritt. Frage: Muß es aber so weit kommen?

Ist es für die Kirche wünschenswert, durch Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Standpunktes Jahr für Jahr an Zahl und damit an Wirkungsgrad zu verlieren? Ist es das Ziel, innerhalb des eigenen Landes zur Minderheitskirche zu werden? Ein offenes Gespräch mit Betriebsbelegschaften, mit Arbeitern und Angestellten, wird hier sehr leicht Klarheit schaffen.

Ohne Emotion und Voreingenommenheit muß die Frage geprüft werden, ob die derzeitige Art und Form, wie die katholischen Christen dieses Landes zu wesentlichen Fragen des öffentlichen Lebens Stellung nehmen, ihre Meinungen zur Geltung bringen, noch den heutigen Erfordernissen entspricht. Bischofskonferenz, Priester, katholische Organisationen, die Gläubigen in Gesamtheit sollten bei aller Toleranz und Meinungsfreiheit in den Lebensfragen der Gesellschaft mit einer Zunge sprechen und mit Nachdruck.

Die österreichischen Katholiken sollen die Bestrebungen für die Einheit aller Christen auch im eigenen Bereich der Verwirklichung näher bringen.

Dieser Beitrag entstammt dem Buch „Kirche in Österreich“, über dessen Thematik am 12. Juni in Wien öffentlich diskutiert werden wird (siehe Anzeige auf dieser Seite).

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