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Pädagogisch-pastorale ugendf iihrung

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JUGEND IM RINGEN UND REIFEN. Von Dr. Alol Grober. . Auflage. Verlag Herder, Wien. 304 Selten. Preis 90 S.

Prof. Gruber hat uns sein von der Fachkritik als hochwertig anerkanntes Jugendwerk über die körperlichseelisch-geistige Reifung der Jugend in der modernen Kulturwelt in zweiter, überarbeiteter Auflage vorgelegt. Nach einem klaren Überblick über den Verlauf der vollmenschlichen Reifung zeigt er den Jugendlichen in seinem Ringen beim Hineinwachsen in die mitmenschliche Umwelt, beim Auswachsen zum gottgewollten Vollreifen Mann- und Frausein und schließlich beim Hinaufwachsen zur Gotteswelt durch die Formung und Festigung einer das weitere Leben tragenden Weltanschauung. Dem Fachmann zeigt das Werk vielfach eine anregende neue Schau der einschlägigen Probleme, dem Nichtfachmann, dem die Lektüre durch ein beigėgebėhes Fachwörterverzeichnis erleichtert wird, kann es unaufdringlich zur fruchtbaren Gewissenserforschung werden.

Die pädagogiscfa-pastoralen Folgerungen, die aus den Darlegungen des Autors zu ziehen sind, werden meist nur leise angedeutet. Man kommt vom Eindruck nicht ganz los, daß etwas zu dürftig die Frage beantwortet wird: Was können und sollen wir tun, um der reifenden Jugend von heute zeitgemäß zu helfen? In diesem Zusammenhang muß es etwas befremden, daß die Erziehungsenzyklika Pius’ XI. und die mannigfachen Kundgebungen Pius’ XII. nicht einmal erwähnt werden.

Gruber will überall auf die gesunde, natürliche und darum gottgewollte Schau und Lösung aller Reifungsprobleme hinarbeiten. Er sucht sie klar als primär pädagogisch- pastorale Probleme aufzuzeigen. Die Reifungsvorgänge von Gott her zu sehen und auf Gott hin zu ordnen wird der Weg sein, der sich im modernen Chaos der Meinungen immer klarer als der einzig richtige erweisen wird. Sollte nicht noch stärker betont werden, daß es vor allem eine glückliche Lösung des Sexualproblems in der Zeit der Reifung und im weiteren Leben nicht geben kann, wenn nicht Eros und Sexus von den Gedanken Gottes her gedeutet und auf die Absichten Gottes hingelenkt werden?

Endlich — und dies ist der dritte

Vorzug des Werkes — ist der Autor sehr bemüht, die starke Differenzierung der beiden Geschlechter klar herauszuarbeiten, um so den Jugendlichen selbst, aber vor allem deren berufenen Führern durch die schwere und folgenschwere Krisenzeit der Reifung zu zeigen, wie das gesunde Werden des Knaben zum vollwertigen Mann und das glückliche Reifen des Mädchens zur gottgewollten Frau gesichert werden sollen. Bei Besprechungen dieser Differenzierung scheinen gegenüber den Mädchen die Jungen etwas zu kurz zu kommen. Ist nicht auch bei ihnen einige Typisierung möglich? Sollte nicht auch die verschiedene Anfälligkeit für Versuchungen betont werden?

In manchen Lesern wird sich der Wunsch regen, der Autor möge in jedem Abschnitt seines Buches die ganz normale, gesunde, vom Schöpfer der Menschennatur gedachte und gewollte Entwicklung klar aufzeigėn, dann würde man die Ursachen der heute vielfach abwegigen, ungesunden, von Gott nicht gewollten Entwicklungsersoheinun- gen leichter sehen, besser verstehen, richtiger beurteilen und wirksamer bekämpfen können.

Wenn der Mensch auch nicht nur Geschlechtswesen ist, so ist er doch immer auch Geschlechtswesen. Schon diese Tatsache rechtfertigt es, daß Gruber beinahe die Hälfte seines Buches der geschlechtlichen Entwicklung widmet. Wer viel mit der reifenden Jugend gearbeitet hat, dürfte für weitere Auflagen noch manche Wünsche haben. Könnte man nicht das ganzmenschliche Schamgefühl (S. 124 ff) definieren als unwillkürlich sich regende peinliche Scheu vor entwürdigender Bloßstellung vor Gott und den Menschen?

Am wenigsten befriedigt das dargelegte Verhältnis von Eros und Sexus (S. 181 ff, 202 f). Die Reihung „Sexus, Eros, Charis, Agape” (S. 184) ist leicht irreführend. Es sollte festgehalten werden, daß dem reinen und unberührten Mädchen die spezifische Erlebnisart des Sexus vor der Ehe kaum bewußt wird und daß auch beim glücklich gereiften Jungmann Eros und Sexus erst gegen Ende der Adoleszenz spürbar ineinanderschwingen.

Bei voller Anerkennung dės weithin richtungweisenden, wertvollen Buches möchte man es fast bedauern, daß der letzte Satz Grubers nicht lautet: „Wo sind die Erzieher und Seelsorger, welche dieser Jugend verstehend die Hände reichen?” Der Priester wird von der einigermaßen religiös erzogenen reifenden Jugend mit vollem Recht angesehen als der von Gott bestellte Hort der Sittlichkeit, als der erstberufene Gewissensberater und als der einzigberufene Gewissensordner und sakramentale Gnadenvermittler. Für alle drei von Gruber besprochenen, immer ein wenig ineinandergreifenden Seiten der jugendlichen Entwicklung gilt sein schöner Satz (S. 265): „Das letzte ist ein Geheimnis persönlicher Haltung und Gnade.”

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