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Volksbildung als Aufgabe — Büchereien als Notwendigkeit

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Während in der deutschen Ostzone der staatlich gelenkte Aufbau des Büchereiwesens stellenweise etwas hypertrophische Formen anzunehmen droht, ist man in der deutschen Bundesrepublik, die ja den Ländern kulturelle Autonomie gewährleistet und bei der kommunalen Selbstverwaltung kulturelle Initiative voraussetzt, bemüht, der Arbeit der Volksbüchereien publizistisch-demokratisch einen Platz in der öffentlichen Meinung, im Bewußtsein der Bevölkerung zu sichern. Dies geschieht durch Werbeprospekte, auf denen ein paar Kinder vor einem Kolportagekiosk anderen vor einem Kinderbüchereiregal gegenübergestellt sind, weiterhin durch Tagungen und Gespräche mit Vertretern der Verwaltungsbehörden und endlich durch eine Reihe von Veröffentlichungen, die sich zunächst an die Völksbibliothekare selbst wenden. Dieser Beruf ist in Deutschland — und anderswo — also solcher bekannt und anerkannt, sein Nachwuchs durch Fachschulen gesichert. Diese Schriften gehen aber im Grunde jeden kulturellen Interessenten ah und verdienen auch hierzulande Aufmerksamkeit. Es handelt sich u. a. um den Aufsatzbänd des verdienten Büchereimannes E. A c k e r- knecht, „Aus der Werkstatt eines Volksbildners", um das Buch des Hamburger Büchereidirektors R. J o e r d e n, „Tun und Denken" beide Hamburg, Stichnote-Verlag, um die Denkschrift der Deutschen LTNESCO-Kommission „Deutschland braucht Büchereien" Köln, Greven- Verlag, deren klare Argumentation man, unter wie immer geänderten Vorzeichen, auch jedem österreichischen Kulturpolitiker ans Herz legen möchte, und schließlich das Buch „Volksbildung als Aufgabe" von J. Langfeldt Köln, Schaffstein-Verlag, 171 Seiten, über das hier kurz berichtet werden soll. Dr. Langfeldt kommt aus der Stettiner Praxis von E. Ackerknecht und sieht wie dieser die Volksbücherei als Teil eines vielfältig auf gegliederten Bemühens um Volks- und Menschenbildung überhaupt. Er leitet heute die Staatliche Büchereistelle in Köln, die die Büchereien auf dem flachen Land betreut, und kennt also — neben den städtischen -— auch dessen Erfordernisse. Darüber hinaus sind ihm die Verhältnisse in beispielhaften Büchereiländern, vor allem in Dänemark und den nordischen Staaten vertraut; er zieht Vergleiche, die nicht nur in Deutschland zu denken geben sollten, Vergleiche, in denen Zahlen eine eindringliche Sprache sprechen. Im übrigen ist nicht nur von technischen, finanziellen und institutionellen Fragen der Bücherei die Rede, wobei immer vom konkret Gegebenen ausgegangen und ein erreichbares Ziel anvisiert wird — es sind daneben kulturpolitische Fragen angeschnitten, die in den ethischen bzw- in den massenpsychologischen Bezirk hineinreichen. Wiederholt und nachdrücklich wird von der Zusammenarbeit mit der Schule gesprochen und auch davon, daß das Buch nicht nur „Kulturgut", sondern auch „Arbeitsgerät" ist, dessen Benützung gelernt sein will. Hervorzuheben ist, daß der Verfasser über der Theorie nie die Praxis, über der „großen Linie” nie das mühsame Detail der Durchführung außer acht läßt, ohne sich anderseits darin zu verlieren — daß er den Geist „sieht" und auch die Sachen, die sich hart im Raume stoßen. Es wäre gut, wenn das Buch — neben den andern genannten — jene Leser fände, die es angeht.

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