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Die zwei Seiten des Problems

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Dieser internationale Zusammenschluß hat sowohl eine verkehrspolitische wie auch eine technische Seite. In verkehrspolitischer Hinsicht stehen der durch allgemeingültige Dimensionierung der Fahrzeuge angestrebte Ausgleich der Wettbewerbsbedingungen und die stärker betonte Freizügigkeit im grenzüberschreitenden Warenverkehr im Vordergrund. Die technische Seite ist in der Rationalisierung der Produktion, im internationalen Erfahrungsaustausch und damit in der Verbilligung der Fahrzeuge zu erblicken. Englische und selbst amerikanische Firmen des Fahrzeug-, Motoren- und Getriebebaus fassen jetzt in EWG-Staaten Fuß, um sich eine günstige Ausgangslage zu verschaffen. Unter den europäischen Firmen erinnern wir an die Verbindung zwischen der zu Renault gehörenden Saviem-Gruppe (Renault-Schwerlastwagen, Chausson-Autobusse, Floirat, Isobloc, Verney, Latil, Somua) und der deutschen Marke Henschel, wobei letztere vor allem als Motorenlieferanten hervortritt, oder an die neugegründeten Verkaufs- und Serviceorganisationen, die beispielsweise Berliet in Frankfurt oder die British Motor Corp. bei der Marke Willeme in Frankreich oder die zu Leyland gehörende englische Marke AEC bei Verheul in Holland aufgezogen Tiaben. Ganz ähnliche Vorgänge zeichnen sich im Motorenbau ab, wenn Krupp als Repräsentant der amerikanischen Cummings-Dieselmotoren auftritt, die Marke Scania-Vabis ihre Motoren an die amerikanische Lastwagenfirma Mack liefert, die holländische Firma DAF Leyland- Diesel in Lizenz baut. Alle diese Zusammenarbeiten gehen bei weitem über das hinaus, was sich unter den Zulieferanten der Nutzfahrzeugindustrie abspielt, denn unter den Nutzfahrzeugfirmen werden Konkurrenzprodukte von einst jetzt zur Umsatzsteigerung herangezogen.

Die Ausrüstung der Lastkraftwagen mit Einspritzpumpen, Bremsen, Getrieben, Federungen, insbesondere Luftfederungen, kompletten Kabinen liegt längst im Machtbereich einiger großer Konzerne, die ebenfalls übernational organisiert sind. Deutsch-schweizerische, deutsch-französische und englisch-französische Verbindungen sind auf dem Zubehörsektor an der Tagesordnung. Es sei nur an das schon vor Jahren erfolgte Aufgehen der Scintilla in Bosch, Stuttgart, erinnert und in neuerer Zeit an die Verbindung Lucas-Ducellier. Die Voithgummiwerke haben früher mit Goodrich zusammengearbeitet, jüngst hat sich jedoch eine Annäherung an Pirelli angebahnt.

Diese Beispiele aus der Nutzfahrzeug- und Zubehörindustrie sind natürlich weniger spektakulär als Zusammenschlüsse bei der Erzeugung von Personenwagen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wären aus letzter Zeit folgende Partnerschaften zu erwähnen: die Aufnahme der Auto-Union in den Daimler-Benz-Konzern in Deutschland, der Kauf von Coventry-Climax durch Jaguar und von Triumph durch Leyland in England. Renault trifft sich in Stahlinteressen mit der mächtigen Schneider-Gruppe und Facel Vega wurde neuerdings von der Sudaviation gestützt. In USA wären AMC und Willys in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Kaum mehr zu überblicken sind die Montagewerke, die in aller Welt emporschießen — sie gesellen sich zu alteingesessenen Firmen, wie den Tochterwerken von General Motors und Ford in England und Deutschland, zu Montagen in der Schweiz und erst recht in Belgien, Holland, Dänemark. Zwar ist die westliche Sphäre Europas der Hauptanziehungs-Ford 17 M Taunus (die ja eigentlich auch amerikanische Wagen sind) eingebaut oder mit den gleichen Motoren in westlichen Ländern russische Wagen bestückt werden. Und damit sind wir auch bei den Personenwagen über die nationale in die Sphäre der internationalen Verflechtung eingedrungen: etwa zwischen Deutschland und Großbritannien, wo sich von Rolls- Royce über BMC Fäden zu MAN spannen und Rover eine deutsche Tochtergesellschaft ins Leben gerufen hat, oder zwischen Deutschland und Frankreich, wo sich die Querverbindungen punkt für die Errichtung von Montagewerken, aber selbst exotische Länder und Weltteile wie Südafrika, Südamerika, Australien, Japan usw. sind neuerdings Schauplatz einer ständig sich vermehrenden Assembling- oder Montageindustrie, wobei immer das Bestreben betont wird, möglichst viele Teile „im Lande“ zu erzeugen. Da gibt es Beispiele intensivster nationale Zusammenarbeit, etwa wenn englische Diesel- Perkinsmotoren (1,6 Liter) in Holland in deutsche besonders häufig und innig gestalten. Gerüchte wollen übrigens von Verhandlungen zwischen Berliet und Rheinstahl-Hanomag wissen. Und so geht es weiter zwischen Großbritannien und Italien (BMC, Perkins, Rootes-Touring, Triumph-Ducati) und Spanien (Leyland-Enasa- Pegaso) und Frankreich (BMC-Willeme, Ley- land-Hotchkiss-Brand), ferner zwischen Italien und Frankreich (Alfa Romeo-Renault), USA und Italien.

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