Werbung
Werbung
Werbung

Geheime Sprachlosigkeit

Hans, die Hauptfigur des Films #Koma#, lebt in einem Vorort Wiens. Er führt ein Leben, das einem Komazustand ähnelt. Nur scheinbar nimmt er daran teil. Er fährt Taxi, doch Fahrgäste sieht man nie. Seine Frau organisiert für ihn ein Geburtstagsfest, doch diesem bleibt er unentschuldigt fern. Hans hat ein quälendes Geheimnis, über das er nicht spricht. Bis er letztlich doch ausbricht. #Koma# von Ludwig Wüst muss man schlicht als #verstörend# bezeichnen. Mit radikal realistischen, niemals schönen Kamerabildern zeigt er fast dokumentarisch die Szenerie rund um die Hauptfigur. Es ist der innere Kampf eines vermeintlichen Normalbürgers, der es bei seiner Familie nicht mehr aushält und der eine andere Art von Leben braucht. Die minimal gehaltene Handlung schreitet nur langsam voran und vollzieht sich in einer Sprachlosigkeit, bei der das Zusehen schwer fällt. In seiner Kompromisslosigkeit des erbarmungslosen Draufbleibens erinnert Wüsts Film an die Arbeiten Michael Hanekes. #Koma# ist mit Sicherheit schwere Kost, doch er liefert auch Anregung zur Diskussion. (Ernst Pohn)

Koma

A 2009. Regie: Ludwig Wüst Mit Nenad Smigoc, Claudia Martini.

Verleih: Stadtkino. 82 Min.

Über Lichtmenschen

Der Dokumentarfilm #Am Anfang war das Licht# beginnt mit Regisseur P. A. Straubinger, der zu Hause vor dem Fernseher durch die Programme zappt. Er bleibt bei einem Beitrag über Menschen hängen, die offenbar nichts essen und trinken müssen # die sich von #Lichtnahrung# ernähren. Ungläubig beginnt er zu recherchieren und die verrückt anmutende Behauptung zu ergründen. Er trifft Menschen, die monate- und jahrelang nichts essen und befragt Mediziner nach Erklärungen dafür. Im Laufe des Films weitet sich die Recherche aus, führt nach China und Indien, zu Yogis, Quantenphysikern, Fastenärzten und Schulmedizinern. Auf der Basis von Erlebnisberichten, Experteninterviews und wissenschaftlichen Ergebnissen beschreibt der Film ein Phänomen, das offenbar existiert, die Wissenschaft jedoch vor ein Rätsel stellt. Der spannende Dokumentarfilm lässt einem ungläubig den Kopf schütteln. Am Schluss ist man wieder ein wenig mehr davon überzeugt worden, dass wissenschaftliche Erkenntnisse längst nicht alle Phänomene unserer Welt erklären können. (Ernst Pohn)

Am Anfang war das Licht

A 2010. Regie: P. A. Straubinger. Mit Jasmuheen, Rüdiger Dahlke, Mataji Prahlad Jani. Verleih: Thimfilm. 95 Min.

Das Jonas-Reindl als Kammerspiel-Ort

Nicht jedermanns Sache war Caspar Pfaundlers erster Spielfilm #Lost and Found# (2001) über die Irrungen eines Österreichers in Taipeh. Sein neues Opus #Schottentor# dürfte da weit mehr Zuspruch erfahren: Das #Jonas-Reindl#, Wiens größter Straßenbahn- und U-Bahnknoten ist Kulminations- und Verbindungspunkt mehrerer Geschichten, in denen sich sechs Personen treffen und/oder verfehlen: Die Blumenverkäuferin Claudia (Gerti Drassl) zeichnet nebenbei; Peter (dargestellt von Burgschauspieler David Oberkogler) kauft täglich eine Blume # immer in einer anderen Farbe # und träumt sonst vor sich hin. Der einmal mehr großartige Hannes Thanheiser mimt einen obdachlosen Alten, der in diesem Verkehrs- und (Nicht-)Beziehungsgeflecht sein Ende erwartet.

Simon, der junge Vortragende an der nahen Uni (Markus Westphal), geht seines Lehrauftrags wie seines Lebensmuts verlustig. Und Lena (Claudia Kottal) lässt sich als Mädchen für alles beim Film, den der #Regisseur# (Michael Masula) dreht, einspannen und beleidigen.

Beiläufig zeigt #Schottentor# Fragmente dieser Schicksale, die durch den Ort miteinander verknotet werden, aber zueinander doch mehr oder weniger lose bleiben. Ein Allltagsblick auf Alltagsgeschichten, denen ein diskreter Charme innewohnt wie ebensolche Traurigkeit. Österreichischer Film als Kammerspiel. Ein sehenswertes noch dazu.

(Otto Friedrich)

Schottentor

A 2009. Regie: Caspar Pfaundler. Mit

D. Oberkogler u.a., Filmladen. 123 Min.

Kindheitstraum

Im Wald soll er landen, weil bei seinen Eltern ein neues Baby unterwegs ist # glaubt jedenfalls Nicolas, und startet eine Aktion nach der anderen, um daheim bleiben zu dürfen. Vergnügt lässt #Der kleine Nick# die Charaktere aus René Goscinnys berühmter Vorlage in Missverständnisse, beste Absichten und harmlose Katastrophen schlittern. Die Filmfassung bleibt nicht nur dem Geist der Bücher treu: Sie gestaltet sich zur äußerst liebenswürdigen Angelegenheit jenseits aller Altersstufen. (Thomas Taborsky)

Der kleine Nick (Le petit Nicolas)

F/B 2009. Regie: Laurent Tirard. Mit

Maxime Godart. Filmladen. 91 Min.

Erkenntniswege

Zynismus ist Ausdruck von Ohnmacht # wie auch von Selbstdarstellung: Beides liegt nur eine Handbreit auseinander, wenn der niederländische Künstler Renzo Martens sich eine Videokamera schnappt, ins Herz der Demokratischen Republik Kongo stapft und dort in einem notleidenden Dorf eine Neontafel mit der Aufschrift #(Please) Enjoy Poverty# aufstellt. Dass er die Botschaft zuerst den ausländischen Besuchern widmet, die vorbeikommen, am Ende aber dem Dorf selbst, ist symptomatisch für den Erkenntnisweg, den er mit seiner gleichnamigen Dokumentation beschreibt: Mitten im Krisenherd durchleuchtet er das System Entwicklungshilfe, bis er einen Weg findet, wie einige der Ausgebeuteten selbst daran profitieren könnten # nur um zu scheitern, an den Schutzmechanismen des Systems. Bezeichnend, dass in seinem Visier niemand gute Figur macht: Erwartete ebenso wie überraschende Täter, aber auch die Opfer und sogar Martens selbst, wenn er jene, die er zu seinen Schäfchen erklärt hat, herumscheucht. #Bist du hier zum Plündern, Vergewaltigen und Stehlen wie die anderen Weißen?#, ruft ihm ein Abenteurer zu. # Obwohl der Film Schwächen, vor allem im dramaturgischen Bereich, aufzuweisen hat: Am Ende ist schlicht alles infrage gezogen # und das völlig zu Recht. (Thomas Taborsky)

Episode III: Enjoy Poverty

NL/Kongo 2008. Regie: Renzo Martens.

Verleih: Stadtkino. 90 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung