6638172-1957_28_03.jpg
Digital In Arbeit

Ein befreiendes Wort

Werbung
Werbung
Werbung

Das Verhältnis der Maßgebenden in der breiten Masse der katholischen Intelligenz zu dem beginnenden Prozeß einer großen moralischen und materiellen Erneuerung gibt am besten die Reder wieder, welche Jerzy Zawieyski am 23. Oktober an die Versammlung der polnischen Schriftsteller hielt. Wir zitieren daraus einige Fragmente:

„Zum erstenmal nach acht Jahren, nach langem, erzwungenem Schweigen, ergreife ich das Wort. Die Ereignisse, welche stattfanden, sind umwälzend für das ganze Volk. Diese drei denkwürdigen Tage sind Tage einer echten Volksrevolution, zum Glück unblutig, während welcher die Jugend und die Arbeiter zusammen mit der Plenartagung handelten . . . Die politische Bedeutung dieser unserer Revolution überragt noch ihre moralische Bedeutung. So war es nicht Gewalt, nicht Zwang, die die Ereignisse lenkten, sondern waffenlose Wahrheit, Gerechtigkeit, die Tendenz zur Erneuerung der Republik im Geiste demokratischer Rechtschaffenheit ... Die Atmosphäre wurde gereinigt, die Hoffnung blühte auf, die gebeugten Schultern richteten sich auf, zum erstenmal seit langer Zeit sagte jemand die Wahrheit. Möge im Geiste der Wahrheit das große Werk des Wiedergutmachens, des Lebens und der Erneuerung der Republik beginnen... Im Leben und in der Literatur repräsentiere ich die verschiedenen Weltanschauungen, persönlich die katholische bekennend. Ich richte das niedergetretene Prinzip auf, daß das Recht zur Gewissens- und Glaubensfreiheit im öffentlichen Leben sowie in der Literatur geachtet sein soll. Ich erkläre mich mit aller Entschiedenheit fern von jeglichen monopolistischen Gruppen, welche sich das Recht anmaßen, die einzigen Vertreter einer gewissen Idee zu sein, wie das durch viele Jahre die Gruppe PAX tat, in der Annahme, daß nur sie die Anschauungen der fortschrittlichen Katholiken ausdrückten. Dies ist eine von Grund auf falsche Usurpation, welche die öffentliche

Meinung nur in einer Atmosphäre von Lügenhaftigkeit irreführen konnte ... Alle schöpferischen Kräfte der polnischen Katholiken billigen die Umwälzung in unserem Leben, überzeugt davon, daß das Werk der Wiedererrichtung unserer Republik ein Werk aller Polen sei, ohne Unterschied von Ueberzeugung und Glauben ..."

Dieselbe Gruppe von Schriftstellern, Publizisten und katholischen Aktivisten, welche mit der oben angeführten Deklaration auftrat, rief am 24. Oktober den „Allpolnischen Klub der fortschrittlichen katholischen Intelligenz" ins Leben. Auf der Liste der Gründer des „Allpolnischen Klubs“, unter dem Vorsitz von Jerzy Zawieyski, sind die Namen von Schriftstellern, Publizisten, Wissenschaftlern, vereinigt um den wiedererstandenen „Tygodnik Powszechny“ (unter anderen A. Golubiew, Prof. K. Görski,

H. Malewska, Prof. Z. Makarczyk, Professor

I. Slawinska, Z. Starowiejska-Morsztinowa, S, Stomma, J. Turowicz, J. Wozniakowski, Professor Cz. Zgorzelski) sowie Publizisten und Aktivisten, die junge Intelligenz repräsentierend (unter anderen W. Auleytner, J. Eska, J. Kra- snowolski, T. Mazowiecki, D. Morawski, W. Šėriko, Z. Skörzynski, S. Wilkanowicz,

J. Zabiocki). Der Allpolnische Klub soll ein Zentrum der Bewegung der Klubs der Katholiken sein.

Der 28. Oktober war ein Tag von entscheidender Wichtigkeit für die weitere Entwicklung unseres Volkes, und speziell für die sozial tätigen Gruppen der katholischen Oeffentlichkeit; Kardinal Wyszynski kehrte in die Hauptstadt zurück, um sein Amt als Primas wiederaufzunehmen. Schon am anderen Tag wurde eine Delegation des Allpolnischen Klubs von Seiner Exzellenz dem Kardinalprimas empfangen, welchem sie die Grundsätze und den allgemeinen Plan ihrer Tätigkeit darlegten. Am 31. Oktober wurde dieselbe Delegation (welche im offiziellen amtlichen Bericht „Vertreter der polnischen katholischen Intelligenz“ genannt wurden), von Wladyslaw Gomulka empfangen. Diese Tatsachen hatten einen entscheidenden Einfluß auf die weitere Gestaltung des organisatorischen und meritorischen Profils der Bewegung der katholischen Klubs. Neben dem Allpolnischen Klub, in enger Verbindung mit ihm, entstanden auf Grund der bestehenden sozialen Notwendigkeiten und der Stellungnahme der breiten Massen der katholischen Intelligenz Klubs in allen größeren Städten in ganz Polen. Diese Klubs erklärten ihren Beitritt zur Nationalen Front, damit diese sich von einem äußerlichen und leblosen öffentlichen Organismus in eine wirkliche Vertretung der öffentlichen Meinung umbilde und, wie die Deklaration eines der Klubs lautet, „welche trotz Verschiedenheiten in der Weltanschauung Menschen vereinigt, welche auf dem Boden des sozialen Fortschrittes und der Demokratisierung stehen, die sich entschieden den Verlogenheiten und anderen Eigenschaften der sogenannten stalinistischen Periode entgegenstellen. welche konstruktiv Zusammenarbeiten wollen in der Errichtung eines gerechten, souveränen und starken Polens ohne jegliche Ausbeutung des Menschen“,

Gegenwärtig bestehen 26 Klubs, welche c nen losen, formell nicht sanktionierten Bund bilden. Dieser gegenwärtige Stand ist provisorisch und wird sicher mit der Zeit eine organisatorisch und formal-rechtliche Gestalt bekommen. Aktiv sind gegenwärtig folgende unter den Klubs: der Klub in Krakow unter dem Vorsitz von Antoni Golubiew, in Katowice unter Vor-

fitz des Oekonomister Dr. Jozef Kokot, Poznan — Advokat Elbanowski, Lodz — Jan Mędrzak, Torun — Prof. Konrad Görski, Lublin — Professor Czeslaw Zgorzelski. Auch in Bialistok, Wroclaw, Szczecin, Opole, Zielona Göra, Tarnöw usw.. wurden solche Klubs gegründet. In Warschau selbst besteht seit Oktober der Klub „Dialog“, später wurde der Klub „E. Mounier“ gegründet. Die öffentliche Meinung des ganzen Landes, zum größten Teil katholisch, jedoch auch Marxisten sehen in der Tatsache des Entstehens dieser Klubs der katholischen Intelligenz ein charakteristisches Phänomen der Regenerierung des öffentlichen Lebens in Polen. Alle Menschen guten Willens verstehen nämlich, daß im Leben soviel wie möglich wirkliche Werte entstehen müssen, die eine allseitige und ungehemmte Entwicklung unseres Landes begünstigen. Die katholische Allgemeinheit, vereinigt in den gegenwärtig bestehenden Klubs oder mit ihnen sympathisierend, ist mit dem Programm der Regierung verbunden durch ihre Anschauung, betreffend unstrittige Angelegenheiten, welche das ganze Volk angehen, wie volle Souveränität, Rückkehr zur Gesetzlichkeit, Respektierung der öffentlichen Meinung, Offenheit im politischen Leben, Rehabilitierung der moralischen und wirtschaftlichen Gesetze im öffentlichen Leben.

Das Hauptziel in der Tätigkeit der Bewegung der katholischen Klubs liegt in der Entwicklung und Verbreitung der katholischen intellektuellen und moralischen Kultur, im besonderen auf dem Gebiet des öffentlichen und bürgerlichen Lebens und der Erziehung. Die Tätigkeit des Klubs hat keinen politischen Charakter, sondern einen sozial-kulturellen. Sie entwickelte sich in drei Richtungen: sehr weitgehende intellektuelle, erzieherische und kulturelle Arbeit, gegenseitige Hilfeleistung, d. h. ein Zusammenwirken in der Lösung konkreter sozialer Aufgaben. In diesem Rahmen üben die Klubs verschiedene Tätigkeiten aus, dem gegebenen Milieu oder Ort sowie den Interessen ihrer Mitglieder angepaßt. In diesen drei Richtungen wurde die Arbeit begonnen auf dem Gebiete der aktuellen Problematik der Familie, Erziehung der Jugend, Formung der Weltanschauung, soziale Lehre der Kirche sowie auch verschiedene Hilfsaktionen in der Form von sozialer Arbeit. Wir erwähnen hier einige Themata aus den Diskussionsversammlungen in Klubs der Provinz: „Rolle und Aufgabe der Intelligenz in den gegenwärtigen Verhältnissen in Polen“, „Lehre von den Weltanschauungen“, „Pontifikat des Papstes Pius XII." und „Wirtschaftliche Aktivierung der Provinz“. Gemeinsame Arbeit in den Klubs findet in den erzieherischen sowie selbsterzieherischen Sektionen statt, in Vorlesungen und Diskussionen, kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen sowie auch in der Abteilung für soziale und wirtschaftliche Arbeit. Zum Beispiel beschäftigte sich die ökonomische Abteilung des „Allpolnischen Klubs" im 1. Quartal dieses Jahres unter anderem mit den folgenden Angelegenheiten: Krisis im Wohnbau, das Kohlenproblem in der gegenwärtigen polnischen Wirtschaft, die Situation in staatlichen landwirtschaftlichen Betrieben. Die Arbeit dieser Sektion beschränkt sich nicht nur auf Diskussionen über die verschiedenen Fragen, sondern zielt auch auf eine Formulierung von praktischen Anträgen hin. Diese Sektion arbeitet nämlich als ein Konsultatorium für die katholischen Sejm-Abgeordneten. Neben dieser Sektion besteht auch ein Zirkel für modernes christliches Denken sowie eine evangelische Sektion, eine für Jugend, Auslandsfragen, Literatur und Theater. Beim Allpolnischen Klub wurde kürzlich eine Genossenschaft für Familienhilfe gegründet, welche sich mit folgenden Problemen beschäftigen wird: ärztliche Hilfe, Hygiene, Kinderaufsicht, Handwerk. Sie wird auch Ferienlager und Erholungsaufenthalte für Familien organisieren. Beratungsstellen für Familienfragen sind, in kleinerem Ausmaße, auch bei verschiedenen Klubs in der Provinz tätig. Wir müssen hier beifügen, daß in unseren Verhältnissen diese Art von sozialer Arbeit etwas ganz Neues ist.

(Schluß folgt)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung