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EIN SLOWENISCHER ROSEGGER

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Die alle Südslawen umfassende illyrische Bewegung, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Erstarken des Nationalbewußtseins auch dem literarischen Schaffen der Serben, Kroaten und Slowenen neue Impulse gegeben hatte, wurde in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch den Kampf zwischen „Alten“ und „Jungen“ abgelöst. Diese Auseinandersetzung im Zeichen der „Moderne“, die der südslawischen Lyrik und Epik auch noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts das Gepräge gab, wurde von den literarischen Strömungen in Wien und Paris beeinflußt. Während die serbischen und zum Teil auch kroatischen Autoren die Stadt an der Seine als ihr literarisches Mekka betrachteten, suchten und fanden die Slowenen, die bis zum Ende des ersten Weltkrieges in ihrer Gesamtheit der Donaumonarchie angehörten, in Wien mannigfache kulturelle Anregungen. So hat Ivan Cankar (1876—1918), der als Wegbereiter des modernen slowenischen Prosastiles gilt, fast 13 Jahre in Wien verbracht. Richtungweisend und sprachschöpferisch wirkten in dieser Epoche ebenfalls der Lyriker Oton lupantic (1878—1949) und der Epiker Franc Sah Finigar, der in Laibach am 2. Juni dieses Jahres im 92. Lebensjahr gestorben ist.

Wie Cankar und lupaniii befaßte sich Finigar in seinen Werken mit den sozialen Problemen der slowenischen Bevölkerung, vor allem mit dem Daseinskampf der Berg- und Kleinbauern, aber auch mit dem Milieu der Kleinbürger, Handwerker und Arbeiter. Diesen drei großen Dichtern lag das Wohl der kleinen Leute besonders am Herzen, sie wollten — jeder in seiner Art und seinem Temperament entsprechend — ihrem Volk den Weg in eine schönere Zukunft weisen. Finigar, der 1894 zum Priester geweiht wurde und sich von 1918 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1936 als Pfarrer in Laibach insbesondere der Jugendseelsorge widmete, fühlte sich berufen, in seinen Werken ganz und gar im Einklang mit den Gegebenheiten des Alltags, ohne dabei in lehrhaften Ton zu verfallen, jene Kräfte zu beschwören, die im Geist christlicher Ethik menschliche Not zu lindern und Unrecht zu beseitigen vermögen.

Aus bitteren Erfahrungen und reichem Erleben sind Finigars Dorfgeschichten — wie etwa „Die Magd Anika“ und „Unser tägliches Brot“ — gewachsen; Meisterwerke von klassischer Einfachheit, voll innerer Dramatik und urwüchsiger Kraft, die den besten Erzählungen Peter Roseggers ebenbürtig sind. Weite Verbreitung fand auch Finigars historischer Roman „Unter freier Sonne“, der den Kampf slawischer Stämme gegen Byzanz schildert.

In seinen letzten Lebensjahren schrieb Finigar Erzählungen für die Jugend, um sie mit den Realitäten des Lebens vertraut zu machen.

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