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Vertiefte Nachbarschaft

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Das größte Slowenien-Sympo- sium, das je in Österreich ab- gehalten wurde, fand vom 24. bis 26. September im Wiener Palais Palffy statt, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Literatur und dem Wissenschafts- ministerium.

Namhafte Historiker (wie Vasilij Melik, Peter Vodopivec von der Universität Laibach und Andreas Moritsch und Arnold Suppan von der Universität Wien), Sprachwis- senschaftler und Übersetzer (Mira Miladinovic" und Neva Slibar aus Laibach und Armin A. Wallas aus Klagenfurt) sowie Schriftsteller (Kajetan Kovic, Zarko Petan und Drago Jancar aus Slowenien und die österreichischen Slowenen Mi- lena Merlak, Janko Ferk und Fab- jan Hafner) beschäftigten sich in Referaten oder Diskussionsbeiträ- gen mit dem Dilemma einer Kultur- landschaft mit zwei Sprachen und verschiedenen nationalen Erfahrun- gen.

Die Geschichte, aber auch die Entwicklung der beiden Sprachkul- turen und ihrer Literaturen, zeigen die über ein Jahrtausend gehenden Gemeinsamkeiten. Das Trennende nationaler Gegensätze und feindli- eher Stimmungen ist erst jüngeren Datums, hat aber Slowenen und Österreicher traumatisiert und auch die Entwicklung von mehr Tole- ranz bei den deutschsprachigen Österreichern behindert.

Die Slowenen mit ihrem Dilem- ma der schlechten historischen Er- fahrungen mit mehreren Nachbar- völkern und vor allem mit sich selbst und ihrem Trauma der Massaker an andersdenkenden Landsleuten im und nach dem Zweiten Weltkrieg tun sich schwer, den Weg in die Welt einer freieren politischen, wirt- schaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Kooperation zu finden. Wolfgang Kraus von der Österreichischen Gesellschaft für Literatur ermutigte sie bei der ab- schließenden Podiumsdiskussion - sie stand unter dem Motto „Kultu- relle Perspektiven einer vertieften Namchbarschaft" - zu mehr Eige- ninitiative. Unter anderem wurde die Gründung eines slowenischen Kulturinstituts in Wien, aber auch einer österreichisch-slowenischen Gesellschaft in Laibach vorgeschla- gen.

Die Schriftsteller, Kulturpublizi- sten (Slavko Fras, Bojan Grobovsek, Joze Hudecek, Feliks J. Bister und andere), Wissenschaftler (etwa der designierte Rektor der Universität Wien, Alfred Ebenbauer, der Rek- tor der Universität Klagenfurt, Gün- ther Hödl und der Minister der Republik Slowenien und Laibacher Universitätsprofessor Dimitrij Rü- pel) und die slowenischen und öster- reichischen Verleger präzisierten ih- re Ansichten in mehreren Round- table-Gesprächen. Es wurde klar, daß nach der Blockade normaler Beziehungen durch die „Fortschritt- sideologien" des Nationalsozia- lismus und des Kommunismus noch sehr viel zur Verbesserung dieser Beziehungen geschehen müsse.

Die besondere Dimension der kulturellen Nachbarschaft von Slo- wenen und Österreichern zeigte das Referat „Zweisprachigkeit als Er- fahrung" von Albina Nedak-Lük (Universität Laibach). Die Slowe- nen in Kärnten als Überbleibsel aus dem ehemaligen großen Vielvölker- staat Österreich bilden im heutigen „Rest-Österreich" die andere, zwei- sprachige österreichische Welt, die auch dem deutschsprachigen Öster- reicher Einblicke und Einsichten in die Vielfalt einer größeren Welt er- öffnet, die nicht erst an den Gren- zen beginnt.

Es verbindet uns nicht nur, wie zu hoffen ist, eine neue Zukunft, son- dern eine spezifische, nur uns eige- ne Geschichte. Gleichzeitige Chri- stianisierung, der gemeinsame Auf- bau der kirchlichen Strukturen von Freising und Salzburg aus, die Ge- meinsamkeit einer bäuerlich ge- prägten Wirtschaftsform verbinden Slowenen und Österreicher ebenso wie die Ausformung des Feu- dalwesens, des städtischen Zunft- und Gewerbewesens, der Kampf gegen die Türkeneinfälle, die reli- giös-kirchlichen Erneuerungsbewe- gungen in der lutherischen Refor- mation und im katholischen Barock, viele Volksbräuche und Sitten und die gemeinsame Neuordnung des Staates und der Gesellschaft durch Maria Theresia und Josef II. Jetzt ist es notwendig, die kulturelle Nach- barschaft zwischen Slowenien und Österreich zu vertiefen.

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