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Filmthema Kulturgrenzen

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Heuer schon zum dritten Mal bot die in Triest stattfindende Filmbegegnung „Alpe Adria Cinema" Anfang Dezember eine reichhaltige und vielfältige Filmauswahl, die sowohl aus dem Gebiet Altösterreichs - Österreich, Ungarn, Italien, Kroatien, Slowenien und Tschechoslowakei - als auch dem Tessin und Bayern stammte.

Triest, als Jahrhunderte alter Schmelztiegel dreier Kulturen - der österreichischen, italienischen und slawischen - ist geradezu der ideale Ort für eine solche Begegnung, weil sich auch die Künstler aus den drei Ländern hier zuhause fühlen.

Die Filmvorführungen liefen in drei Gruppen ab: Neben einer Informationsschau der jüngsten Produktionen aus den genannten Ländern und einer Retrospektive markanter, bis vor kurzem verbotener Filme aus der CSFR, gab es eine Reihe von Filmen, die sich mit dem Thema „Identität und Grenzen" auseinandersetzten. (Diesem Thema war übrigens auch ein internationales Symposion gewidmet.)

Nationalitätenkonflikte

Die Konflikte, die sich, in der Vergangenheit wie auch in unserer Zeit, immer wieder aus dem Unterschied zwischen nationaler Identität und staatlichen Grenzen ergaben und ergeben, wurden in Triest durch zahlreiche Filmbeispiele veranschaulicht. Aus Österreich kamen „Gavre Prin-cip- Himmel unter Steinen" von Peter Patzak, eine Art Rehabilitierung des Attentäters von Sarajewo, sowie der Kurzfilm „An der Grenze", in dem Max Linder die instinktive Abneigung einer Dorfgemeinschaft gegen einen Fremden drastisch darstellt.

Besonders interessant war es, bei dieser Gelegenheit Gustav Ucickys Film „Heimkehr" wiederzusehen. Dieser 1941 gedrehte Propagandafilm über die Verfolgung der deutschen Minderheit in Polen war, das muß man zugeben, dramaturgisch und technisch überaus geschickt gemacht, sodaß er noch 50 Jahre danach den Zuschauer mitreißt - und dies, ob-

wohl man genau weiß, daß es sich um ein LUgengespinst handelt.

Als Gegenstück sah man auch G. W. Pabsts ersten Nachkriegsfilm „Der Prozeß" (1947) über Antisemitismus in Ungarn im vorigen Jahrhundert. Als Parallele kann man den ungarischen Film „Uz Bence" von Jenö Csepreghy (1938) bezeichnen, in dem es um die schlechte Behandlung der ungarischen Minderheiten durch die Rumänen in Siebenbürgen geht - ein Problem, das bis heute ungelöst geblieben ist.

Schweizer Identität

Die schwierigen Beziehungen zwischen Deutschsprachigen und Italienern in Südtirol wurden durch „Die Walsche" (1986) von Werner Masten, nach dem Roman von Joseph Zoderer, veranschaulicht.

Der slowenische Dokumentarfilm „Zamejci" (Leute aus dem Grenzgebiet), 1989 von Andrej Mlakar gedreht, stellt eine Bestandsaufnahme der Spuren slowenischer Kultur im Gebiet des Kanaltales.von Görtz und Triest dar.

Der Schweizer Beitrag hieß schlicht „Visages suisses" (Schweizer Antlitze) und entstand anläßlich der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft. Es handelt sich um ein Gemeinschaftswerk, an dem elf Regisseure mitwirkten, darunter Claude Goretta, Fran-cois Reichenbach und Jacqueline Veuve. Ein alter Mann bereist die Schweiz mit seinem Enkelkind. Dabei werden Einheimische aus den verschiedenen Kantonen vorgestellt, mit ihren sprachlichen und sonstigen Eigenheiten.

Schon 1986 drehte der slowakische Regisseur Stefan Uher den Film „Siesta veta" (Der 6. Satz), eine Huldigung an die Dichterin Bozena Slan-cikova. Diese Frau kämpfte um die Jahrhundertwende für die Anerkennung der slowakischen Literatur und hatte dadurch eine Menge Schwierigkeiten mit den ungarischen Behörden. Angesichts der gegenwärtigen Autonomiebestrebungen der Slowakei gewinnt dieser Film erneut an Aktualität.

An dem Symposion über „Identität und Grenzen" beteiligten sich nam-

hafte Schriftsteller, Filmregisseure und Journalisten aus dem Alpe-Adria-Raum.

Österreich war unter anderem durch Gerhard Roth (über „Archive des Schweigens"), Walter Fritz vom Österreichischen Filmarchiv (über „Heimatfilm - Filmheimat"), Anton Pelinka von der Universität Innsbruck (über „Nationale Identität-Botschaft von gestern oder Vorgriff auf die Zukunft?"), Regisseur Peter Patzak (über „Wie ein Stein im See...") und Gertraud Steiner (über „Der Habsburgermythos im Film der fünfziger Jahre") vertreten.

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